Es ist über vier Jahre her, als das thailändische Entwickler-Studio Orbital Speed versuchte, durch eine Crowdfunding-Kampagne ihr Traumprojekt Dual Gear zu finanzieren. Eine Mischung aus Rundenstrategie und japanisch inspirierter Mecha Action sollte die Herzen der Genre-Fans im Sturm erobern. Und das Interesse war da, doch nicht ausreichend genug, um die letzte Hälfte des Finanzierungsziels zu erreichen. Dies hinderte aber das Team nicht daran, ihre Vision hinter Dual Gear umzusetzen, weswegen sie nun nach all den Jahren die Basis des Spiels als Early Access-Version veröffentlichen. Wir haben Roboter ihre Gliedmaßen abgetrennt, Rüstungen bemalt, unzählige Raketen vom Himmel regnen lassen und verraten euch nun im Early Access-Test, ob Orbital Speed hiermit etwas ganz spezielles für Mecha-Liebhaber parat hat.
Wir schreiben das Jahr 2069. Nachdem vor über vierzig Jahren eine Epidemie zu einem Kollaps der größten Wirtschaftsnationen geführt hat, wurde als letzter Strohhalm die UNR gegründet. Eine internationale Organisation, welche die Zusammenarbeit der Staaten und den Wiederaufbau an erster Stelle stellten. Der Plan ging auf, was der Menschheit eine neue technologische Hochzeit bescherte, die darin gipfelte, als der erste Astronaut seinen Fuß auf den Mars setzte. Doch es dauerte nicht lange und Unruhen im Sonnensystem führte wieder zu den ersten Konflikten innerhalb der UNR. Als dann 2058 durch die Sprengung der Raumstation Gaia’s Belt auch noch eine Umweltkatastrophe verursacht wurde, brachen alle diplomatischen Kontakte ab und Kriege folgten als Antwort darauf. Elf Jahre später übernehmen wir die Kontrolle über einen Squad von jungen und noch unerfahrenen Dual Gear-Piloten, die unter dem Banner der NEMOS wieder für Frieden und Ordnung auf der Erde sorgen sollen.
Dual Gear sieht sich selber als „Tactical action turn-based strategy game“, welches mit alten Traditionen des Rundenstrategie-Genres brechen will. Das heißt neben der taktischen Planungsphasen, bekommen wir in den Gefechten selbst eher das Gefühl eines Third-Person-Action-Titels vermittelt. Stellt euch Valkyria Chronicles vor, nur halt mit haushohen und schwerbewaffneten Mecha, statt jungen Soldaten frisch aus der Militär-Akademie. Das heißt wir bewegen unsere Einheiten direkt, statt über feste Felder und jeder Meter kostet uns keine Aktionspunkte, sondern zieht an unserer Energieleiste. Aktionen, wie zum Beispiel Angriffe hingegen kosten wiederum Punkte und Munition. Jeder Pilot verfügt dabei über verschiedene Fähigkeiten, die durch unsere Bewaffnungen bestimmt werden und wie viele wir in die jeweiligen Waffen-Kategorien investieren. Maschinenpistolen, Scharfschützengewehre, Schrotflinten, Laser-, sowie Plasmawaffen, Raketenbatterien, riesige Haubitzen, Nahkampfwaffen und sogar unsere blanken Stahlfäuste stehen hier auf dem Plan. Doch jeder Angriff will gut geplant sein, denn diese können hier und da auch mal ihre Ziele verfehlen und jemand anderes ungewollt treffen. Im Idealfall kann dies ein anderer Gegner sein, im schlechtesten Fall aber auch einer unserer eigenen Leute, was schnell zu dem einen oder anderen fehlenden Körperteil der Blechbüchsen führen kann.
Wie in anderen Titeln mit einem ähnlichen Fokus auf Mechs, ist das gezielte Zerstören von verschiedenen Bauteilen des Roboters ein taktisches Element, welches öfters zwischen Leben und Tod entscheidet. Denn nicht nur sind Arme, Beine und der Kopf meistens nicht so gut gepanzert, wie der Torso, sondern befindet sich vor allem ein großer Teil der Bewaffnung in den Händen. Entfernen wir diese erfolgreich, macht das unser Gegenüber in den meisten Fällen direkt zu einem ungefährlichen Klotz, der nur noch auf den Gnadenstoß wartet. Einen Fokus auf die Beine verdienen da leichtere Mecha, die nicht unbedingt die größten Wummen mit sich transportieren. Hier kann ein beschädigtes Bein schon ihren taktischen Nutzen für unseren Feind bis auf das äußerste minimieren. All dies trifft dabei natürlich auch auf uns zu, weswegen wir unsere Einheiten möglichst immer anders positionieren sollten, um somit eine konzentrierte Belastung zu vermeiden und den Schaden zwischen allen Körperteile aufzuteilen.
Zwischen den Gefechten geht es für unsere Mannschaft ins Hauptquartier. Hier können wir den tapferen Piloten neue Tricks beibringen und im Hangar lassen sich die Mecha mit allerlei neuen Waffen und Bauteilen ausstatten, die wir entweder durch Missionen erhalten oder im Shop einkaufen. An die Gunpla-Fans hat man natürlich gedacht, weswegen Customization auch in Dual Gear eine große Rolle spielt. Einzelne Teile lassen sich in den verschiedensten Farben lackieren, mit Stickern bestücken und mit Tarnmustern bedrucken, die nur rein optischer Natur sind und uns keinen Vorteil in den Auseinandersetzungen geben. Somit lassen sich aus den weiß-grauen Killermaschinen schnell persönliche Schmuckstücke machen, die in den Kämpfen alle Augen auf sich lenken.
Während wir durch die Menüs schalten, lernen wir relativ schnell den wohl größten Gegner im Spiels kennen: das UI. Die etlichen Menüs, Reiter und Fenster stellen sich als recht unübersichtlich dar, auch wenn die Designsprache ein netter Versuch ist, die Ästhetik einiger Videospiele aus den 90ern einzufangen. Gerade die Namco-Titel Ace Combat 3: Electrosphere und Ridge Racer 4 lassen Grüße da! Das hier die Steuerung uns ebenfalls ein Bein stellt, hilft nicht gerade weiter. Selbst mit Maus und Tastatur funktioniert nicht jeder Klick, was gerade durch die eher klassische PC-Menüführung zu einem sehr surrealen Erlebnis führt. Dies kann auch in den Kämpfen zu Problemen führen, gerade wenn wir mit den eigentlich hilfreichen Raketenbatterien arbeiten. Diese lassen nämlich einen Schwarm an zielsuchenden Sprengköpfen herabregnen, die im besten Fall direkt mehre Ziele gleichzeitig treffen. Damit das in der Theorie klappt, halten wir die linke Maustaste gedrückt und gehen über die gewünschten Ziele. Befinden wir uns dabei mit dem Mauszeiger eine halbe Sekunde zu lange auf derselben Einheit, wird diese doppelt bis sogar vierfach anvisiert, was damit jede Rakete der Batterie auf ihn lenkt, statt – wie von uns eigentlich gewollt – sie aufzuteilen. Eine Möglichkeit, dieses Missgeschick auszubügeln, gibt es noch nicht und somit bleibt es uns nur übrig, den Angriff so hinzunehmen oder den Spielstand neu zu laden. Kein gutes Gefühl, gerade wenn man Mitten in einem längeren Gefecht steckt.
Da Dual Gear ein Early Access-Titel ist, haben wir es hier natürlich noch mit einigen anderen Baustellen zu tun, abseits von Problemen bei dem UI und der Steuerung. In der aktuellen Version haben wir Zugriff auf den ersten Akt der Kampagne, die gerade mal eine Tutorial- und drei Story-Missionen abdeckt. Bis zur Veröffentlichung der fertigen Version im nächsten Jahr, sollen uns regelmäßige Erweiterungen bezüglich des Umfangs erwarten. Mehr Missionen, mehr Maschinen, mehr Ausrüstungen, mehr Spiel-Modi und hoffentlich mehr und variantenreichere Level und Missionsziele. Einer der Hauptgründe für die Early Access-Phase ist laut Entwickler vor allem das fehlende QA Team hinter dem Titel. Die Käufer dienen hier als Tester, die alle technischen, aber auch spielerischen Fehlern aufdecken sollen. Deswegen legt das Studio einen hohen Wert auf die regelmäßige Kommunikation zwischen beiden Parteien, um Dual Gear nach und nach zu einem besseren Erlebnis zu verhelfen. Dies kommt anscheinend auch an, denn nicht nur ist die Community Group auf Steam gut besucht, sondern ist die Frequenz an Patches seit Veröffentlichung recht hoch. Gerade als ich diese Zeilen abtippe, lädt Steam einen neuen 1 GB Patch herunter. Wenn diese Anstrengungen auf beiden Seite fortgeführt wird, sollte einem lupenreinen Release der Vollversion im nächsten Jahr nichts im Wege stehen.
Dual Gear ist seit dem 29. Juli als Early Access Version auf Steam erhältlich. Die Veröffentlichung der Vollversion, sowie Konsolen-Portierungen für Playstation 4, Nintendo Switch und Xbox One sind für 2021 geplant.
(getestet von Para)