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Im Test: Shenmue 3 (PC / PS4)

Ist es ein Traum? Shenmue wird nach fast zwanzig Jahren Stillstand endlich von Großmeister Yu Suzuki fortgesetzt. Er und sein Team von Ys Net veröffentlichen in Zusammenarbeit mit Deep Silver endlich den lang ersehnten Nachfolger Shenmue 3. Als große Fans der Vorgänger freuen wir uns die Reise in China fortzuführen. Ob sich das lange Warten gelohnt hat, erfahrt ihr in unserem Test.

Nostalgie ist ein schlechter Kritiker. Und trotzdem ist es vielleicht der einzige Kritiker, der ein Projekt, das allein der Fanliebe für ein zwei Jahrzehnte altes Werk entspringt, bewerten kann und sollte.

Shenmue war tot. Zur Jahrtausendwende erschienen Shenmue und kurz darauf sein renommierter Nachfolger, der sich als damals teuerstes Videospielprojekt in den Geschichtsbüchern verewigen sollte und bis heute den Klassikerstatus inne hat. Das liegt sicherlich zum einen an den technischen Innovationen, die bis heute Bedeutung haben, denn eine offene Welt mit linearer Erzählstruktur, aber non-linearer Erkundung mit Nebenaktivitäten, und eine Charakter-nahe Inszenierung mit den berühmt berüchtigten Quick Time Events waren ihrer Zeit weit voraus. Das liegt aber auch an den vielen Eigenheiten, die das Spiel für sich beanspruchte. Shenmue war langsam, ein gemächliches Detektivabenteuer im 80er-Jahre Asien, das Kämpfe eher aus Auflockerung verstand und sonst seinen Fokus auf eine spannende Geschichte setzte.

Ein kaltblütiger Mord an seinem Vater, schickte den japanischen Draufgänger Ryo auf eine lange Reise und Suche nach mystischen Artefakten. Zwischen japanischen Kleinstädten, der Metropole Hongkong und chinesischen Dörfern lernt Ryo taffe Mädels, brüderliche Gangmitglieder, die Mafia, Meister der Kampfkünste und authentische asiatische Kultur kennen. Und am Höhepunkt dieser Reise, als die Handlung in eine geheimnisvolle Höhle mündete, endete das Abenteuer schlagartig. Die Dreamcast floppte und Shenmue starb und nach vielen Jahren starb mit der Serie auch die Hoffnung auf eine Fortsetzung und das Finale der Geschichte.

Und der Schmerz saß lange tief. Gerade der zweite Teil bot Szenen, die sich in mein Gamerherz einbrannten. Mächtige emotionale Momente voller Kirschblüten und chinesischer Weisheiten. Und als dann 2015 auf der E3 ein von Fans finanzierter Nachfolger angekündigt wurde, sprang nicht nur mein Portemonnaie auf, sondern eben auch dieses Herz, das eine alte, längst aufgegebene Liebe wiedertraf.

Und jetzt ist er erschienen, nach fast zwanzig Jahren Pause, und nach all dieser Zeit kann ich keinen Maßstab finden, der diesem Spiel gerecht wird. Aber ich kann mir auch keinen Maßstab erdenken, der Shenmue 3 ernsthafte Qualitäten attestiert.

Es beginnt alles in besagter Höhle. Genau dort, wo Shenmue 2 endete. Die Auflösung eines des größten Cliffhangers der Videospielgeschichte? In der Höhle, die man mit den zwei magischen Steintafeln aus Teil 1 und Teil 2 öffnete, findet man zwei große identische Steintafeln. Und Ryos Freundin Shenhua fällt dazu eine alte Prophezeiung von ihrem Vater ein, die besagt, dass ein Typ aus einem fernen Land (Ryo) ihn (den Vater Yuan) finden soll, und ein Drache und ein Phönix auftauchen werden. Das Problem dabei ist, dass Yuan nicht aufzufinden ist und alle Zeichen auf eine Entführung hindeuten.

Das ist eine antiklimaktische Fortführung der Geschichte. Anstatt die Fäden weiterzuspinnen, werden sie festgehalten, und es beginnt eine Schnitzeljagd Richtung Yuan, die den Großteil des Spiels ausmacht. Ich wünschte, der Weg wäre das Ziel, aber das ist gemessen an der Vorgeschichte eine verpasste Gelegenheit und – weitaus wichtiger – der Weg in diesem Spiel bietet nicht genug.

Auf makroskopische Weise lässt sich das Gameplay schnell zusammenfassen. Wir befragen in der offenen Welt, erst einem chinesischen Dorf und Umgebung, später auch in einer Küstenstadt, die Bewohner, um diesen Yuan zu finden. Letztendlich wird man von Person zu Person geschickt und folgt so einer recht willkürlichen Fährte.
Zwischendurch bestreiten wir einige Kämpfe, spielen simple Minigames und kümmern uns darum, genug Geld zu verdienen, um uns Lebensmittel zu leisten, die unsere stetig sinkende Gesundheit wieder aufpäppeln.

Macht das Spaß? Nicht wirklich. Das Kampfsystem kann gerade einmal als funktionell beschrieben werden. Es fühlt sich sehr schwammig und unkoordiniert an. Das Spiel selbst nimmt das Actiongameplay nicht sonderlich ernst und empfiehlt lediglich im Tutorial, die Face Buttons und R2 wild herumzudrücken und auf die Gesundheit zu achten. Glücklicherweise kann man dennoch auch Blocken und Ausweichen, aber nach dem relativ ambitionierten Shenmue 2-Kampfsystem ist das ein herber Rückschritt.

Die Minispiele ordnen sich auf demselben Niveau ein. Sind rein glücksabhängig oder ungewohnt konstruiert. So hackt man Holz indem sich Ryo durchgehend mit dem gesamten Oberkörper hin und her dreht und man abschätzen muss, wann er sich direkt über dem Holzscheit befindet. Selbst die Quick Time Events wurden verbockt. Man hat kaum Zeit, die richtige Taste zu drücken und kommt als Normalsterblicher nur an diesen Szenen vorbei, wenn man sich die Tastenkombinationen nach dem Fehlschlag einprägt.

Aber das sind alles Kleinigkeiten. Shenmue 3 ist ein wahr gewordener Fantraum und niemand hat hier ein AAA-Polishing erwartet. Interessant ist es, ob dieser Teil abseits des authentischen, traditionellen Konzepts auch mit den inneren Werten der Vorgänger überzeugen kann. – Kann er nicht.

Shenmue 3 hat auf inhaltlicher Ebene im mikroskopischen Bereich der Inszenierung und Erzählung gravierende Probleme. Es fängt damit an, dass es quasi keine Story gibt. Wir suchen Yuan, aber auf dieser Suche passiert nichts. Wir erfahren winzige Bruchstücke über die Hintergründe der Prophezeiung in unregelmäßigen Abständen, aber auf dieser Reise gibt es keine Szenen, die von ernsthafter Bedeutung sind. Die Charaktere haben keinen Charakter. Ryo und Shenhua reden miteinander wie künstliche Intelligenzen der 80er Jahre. Die wenigen Nebencharaktere werden ungewöhnlich kalt eingeführt und verschwinden dann direkt wieder von der Bildfläche. Die Dialoge sind nicht nur langweilig und unnatürlich, sie sind auch noch teilweise völlig unlogisch und zusammenhangslos, als würden in dieser Welt alle Menschen aneinander vorbeireden.

Nicht dass es hier irgendeinen Einfluss auf das Spielerlebnis hätte, aber die Technik ist optisch vielleicht sogar besser als erwartet, leidet aber unter ständigen Rucklern und Ladefehlern. Bugs im Soundbereich trüben auch die teils schönen Musikstücke. Insgesamt macht das Spiel einen unfertigen Eindruck auf einem bereits amateurhaften Niveau.

Fazit:
Wer sich nach Shenmue sehnte, weil er ein langsames, eigenwilliges Spiel dieser Art vermisst hat, wird hier fündig. Konzeptionell ist Shenmue 3 sehr nahe an den Vorgängern.
Wer sich nach Shenmue sehnte, weil er die inhaltlichen Qualitäten der Reihe zu schätzen wusste, bekommt mit Shenmue 3 einen Schlag ins Gesicht serviert. Dieses Spiel punktet auf keiner Ebene, und während technische Unzulänglichkeiten einem strammen Budget in die Schuhe zu schieben sind, gibt es keine Ausreden für ein faules, schmerzhaftes Writing, das die Story auf der Stelle treten lässt und mit dümmlichen Dialogen keinerlei professionelles Niveau erreicht. Es ist schade, dass hier nach zwanzig Jahren eine vielleicht einmalige Chance nicht dazu genutzt wurde, einer der bedeutendsten Videospielreihen den verdienten Respekt zu zollen.

(getestet von eape)

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