Nach vier Ablegern, einem Remaster und fünf Spin-offs, meldet sich die Sniper Elite-Reihe mit Teil Nr. 5 wieder zurück auf den digitalen Schlachtfeldern. Wir haben uns das neuste Werk des englischen Entwicklers und Publishers Rebellion ganz genau unter die Lupe genommen und verraten euch im Test, wieso ihr diesen Titel auf keinen Fall aus dem Sichtfeld eures Zielfernrohrs verlieren solltet.
Wir schreiben den 28. Mai 1944, die Allierten stehen kurz davor mit Operation Overlord ihre Truppen an die Küsten der Normandie zu bringen, um endlich Nazi-Deutschland durch einen Mehrfrontenkrieg in die Knie zu zwingen. Damit dieses Vorhaben aber auch gelingt, muss der Atlantikwall vorher geschwächt werden. Mit Hilfe einer Handvoll US Rangern und dem französischen Widerstand, liegt es an OSS Agent und Meisterschütze Karl Fairburne diesen Plan umzusetzen.
In Sniper Elite 5 schlüpfen wir erneut in die Rolle des langjährigen Protagonisten und Veterans Karl Fairburne, der nach seinen Einsätzen in Nordafrika und Italien nun auch in Frankreich den Nazis das Fürchten lehren soll. Das klappt in den meisten Fällen mit einer Kugel im Kopf am besten, denn wie der Name der Spielreihe schon verrät, ist Fairburne ein verdammt guter Scharfschütze, weswegen es nicht überraschen sollte, dass ihr im Spiel einiges an Zeit damit verbringen werdet, durchs Zielfernrohr eures Gewehrs zu schauen. Wie bereits in den Vorgängern können wir nicht einfach immer nur geradeaus schießen und dabei auf ein erfolgreiches Ergebnis hoffen, sondern müssen dabei einige Faktoren berücksichtigen, damit das Projektil auch das gewünschte Ziel trifft. Da hätten wir als Erstes die Entfernung, denn je weiter eine Kugel fliegt, desto tiefer wird sie durch die Erdanziehungskraft nach unten gezogen. Die Richtung und die Stärke des Windes spielen ebenso eine Rolle und müssen mit einbezogen werden. Damit wir über all dies einen Überblick haben, zeigt uns unser HUD an, wie weit entfernt ein Ziel ist und wie der Wind steht. Wer jedoch gar keine Lust auf dieses Gameplay-Element hat, kann sich entweder einen hilfreichen Hitmarker einblenden lassen, der uns vor dem Abdrücken ganz genau zeigt, wo die Kugel am Ende landet oder deaktiviert direkt alles an äußeren Variablen. Dann gibt es kein Bulletdrop und auch kein widerspenstiges Lüftchen mehr, die uns die Show vermiesen könnte.
Im Vergleich zu den ersten Ablegern ist Karl aber auch niemand mehr, der nur noch an der richtigen Stelle auf seine Chance wartet. Allgemein gehört das Ausschalten gewisser Personen aus sicherer Entfernung zwar noch zu unseren Hauptbeschäftigungen in jeder Mission, doch ist dies eben nicht alles. Meistens müssen wir auch noch feindliche Lager und Anlagen infiltrieren, um Gerätschaften zu sabotieren oder geheime Dokumente zu stehlen. Hier hat Karl einige neue Tricks gelernt, was ihn nochmal mobiler als je zuvor macht. Hohe Mauern können z.B. nun erklommen werden, dank Ranken können wir an manchen Häuserfassaden hochklettern und mit dem Bolzenschneider lassen sich nun Löcher in Zäune schneiden, durch die wir danach einfach durchkriechen können. Diese neuen Freiheiten, kombiniert mit dem recht offenen Leveldesign, machen Sniper Elite 5 zu einer echten taktischen Stealth Sandbox, die man sonst so eher aus Metal Gear Solid V: The Phantom Pain oder Hitman kennt. Der Vergleich mit den beiden Reihen hört hier aber nicht auf, denn auch abseits vom Leveldesign haben sich die Entwickler von Rebellion von einigen Elementen inspirieren lassen. So können wir die verschiedenen Missionsziele nach unseren Wünschen angehen, meistens gibt es mehrere Wege, die wir optional nehmen können und auch beim eliminieren von Zielen gibt uns das Spiel immer wieder hier und da kreativen Freiraum. Somit sind selbst unscheinbare Unfälle, für die sonst eher ein Agent 47 bekannt ist, auch in Sniper Elite 5 möglich. So vergiften wir einen SS-Offizier mit einem Drink, lassen eine V2 Rakete auf einen ahnungslosen Wissenschaftler fallen und schon mal etwas von einer explodierenden Ratte gehört? Hören ist auch das Stichwort, denn die gegnerische K.I. reagiert wie schon in den Vorgänger nicht nur darauf, was sie mit ihren eigenen Augen sehen, wie z.B. einen feindlichen Sniper, der gerade um die Ecke verschwindet, sondern vor allem auch, was sie mit ihren Ohren hören. Laute Schritte, Kameraden die umfallen, Kisten die aufgebrochen werden, aber vor allem Schüsse und Explosionen sorgen für Aufmerksamkeit unter den Soldaten. Selbst schallgedämpfte Waffen sind auch über mehre Meter immer noch hörbar. Der Schlüssel ist es hier unsere Geräusche mit anderen zu tarnen. Nehmen wir als Beispiel die dritte Mission in der Akademie. Hier fliegen regelmäßig deutsche Jagdflieger über uns, die teilweise so laut sein können, dass selbst ein Schuss unseres Gewehrs dabei untergeht. Wir müssen also nur auf den richtigen Moment warten, bis sich der Flieger über uns befindet, damit wirklich niemand den Schuss hören kann. Genau das Gleiche trifft auf schwere Panzerketten zu oder schwere Geschütze, die feuern.
Was Karl auch sich zu seinem Nutzen macht, ist natürlich die Vielzahl an verschiedenen Schusswaffen. Da hätten wir unterschiedliche Gewehre, die teils als Bolt-Action, aber auch als halbautomatisch daher kommen, einige Maschinengewehre für brenzlige Situationen und natürlich auch eine Menge an Pistolen. Manche erhalten wir durch das erfolgreiche Beenden von Missionen, für andere müssen wir wiederum unsere Ziele auf bestimmte Art und Weise erledigen. Ihr wollt z.B. die schicke japanische Pistole? Dann müsst ihr den japanischen Offizier auch mit einer japanischen Waffe erledigen. Sobald die freigeschaltet sind, lassen sie sich dazu noch an versteckten Werkbänken oder zwischen Missionen auf- und umrüsten, damit sie genau euren Wünschen entsprechen. Größere Visiere, längere Läufe, verschiedene Magazine und Munitionsarten und sogar eine kleine Auswahl an kosmetischen Updates lassen sich an den Waffen anbringen.
Wie bereits in den Vorgängern setzt Rebellion bei Sniper Elite 5 wieder auf ihre eigene Asura Engine und das mit Erfolg. Was mich nämlich beim Durchspielen des Titels am meisten überrascht hat, waren die schicken und stimmungsvollen Vistas, die einem das Spiel in regelmäßigen Abständen vor die Augen setzt. Gerade zu Beginn der meisten Missionen, wenn wir einen groben Überblick über die Karte bekommen, erstrecken sich vor uns Setpieces, die man so sonst eher nur aus Triple-A Produktionen kennt. Egal ob verträumter Bauernhof an der französischen Küste, ein edles Château auf dem Land und selbst eine Waffenfabrik mitten in der Schwerindustrie konnte Rebellion gekonnt in Szene setzen. Abgerundet wird dies mit realistischen Photogrammetry Texturen, atmosphärischem Lighting und einem dichten Detailgrad. Da fallen höchstens mal die etwas gröberen Charakter-Modelle heraus, die nicht denselben Standard erfüllen, wie der Rest. Bei dem hervorragenden Gesamteindruck ist dies aber sehr leicht zu verschmerzen.
Sniper Elite 5 ist seit dem 26. Mai für PC, Playstation 5, Playstation 4, Xbox Series und Xbox One erhältlich. Getestet wurde die PC-Version.
(getestet von Para)