Rogue-likes erfreuen sich seit geraumer Zeit großer Beliebtheit. Ein Genre, in dem es hauptsächlich darum geht, in das letzte prozedural generierte Level vorzudringen, dabei seinen Charakter aufzuleveln und etliche Tode zu sterben. Genau dieses Spielprinzip haben sich nun die deutschen Rockfish Studios, den meisten PC-Spielern wohl durch die Galaxy on Fire Reihe bekannt, vorgeknöpft und in das Gewand eines Singleplayer-Space Shooters gepackt. Das Ergebnis ist Everspace. Ob ihr Vorhaben aufgeht, lest ihr in unserem Early Access Review.
Everspace befindet sich momentan noch in der Early Access Phase. Auf eine umfangreiche Story oder klassische Missionen muss daher zurzeit verzichtet werden. Die grundlegende Spielmechanik ist jedoch bereits fertig und verspricht einen überaus motivierenden Genrevertreter. Aktuell gibt es eigentlich nur ein Ziel: Überleben. Genauer gesagt müssen wir in unserem Raumschiff, wahlweise in einer Cockpitansicht oder der Verfolgerperspektive, sieben verschiedene Sektoren durchfliegen. Jeder Sektor besteht aus unterschiedlich vielen, zufällig generierten Bereichen. Einmal sind wir etwa alleine in einem dunklen, trostlosen Asteroidenfeld unterwegs, ein anderes Mal finden wir uns mitten vor einem gigantischen Gasplaneten wieder, in dessen Orbit Raumstationen schweben und Bergbauschiffe Gestein abbauen. Gewechselt werden können diese Bereiche zu jeder Zeit selbständig, indem bestimmte Sprungkoordinaten angeflogen werden und daraufhin auf einer Karte ein neues Ziel ausgewählt wird. Mit mal schnell durchfliegen ist es jedoch nicht getan, denn jeder Sprung kostet Treibstoff. Und da wären wir beim ersten großen Gameplaybaustein von Everspace: Ressourcen und Crafting.
Ressourcen finden sich überall – oder aber gefühlt nirgendwo, wenn man sie gerade benötigt. Sie schweben teils frei im Raum, werden von abgeschossenen Gegnern hinterlassen oder müssen eigenständig abgebaut werden. Das passiert ganz einfach, indem auf das jeweilige Objekt (den Kristall, den Asteroid, das Wrackteil, etc.) geschossen und die herumfliegenden Bruchstücke daraufhin eingesammelt werden. So looten wir uns also Schrott, Nanobots, Treibstoff, Computerchips, Kristalle, Plasma, Dunkel Materie und mehr zusammen. Das interstellare Sammelsurium an Objekten erfüllt wiederum verschiedene Zwecke: zum einen benötigen wir bestimmte Ressourcen zur Reparatur des eigenen Schiffes. Zum anderen können sie on-the-fly in Upgrades der bestehenden Ausrüstung gesteckt oder zu Munition & Co verarbeitet werden. Das passiert direkt in einem jederzeit aufrufbaren, übersichtlichen Crafting- und Inventarbildschirm, der auch das Spielgeschehen pausiert. Oder aber wir tauschen sie beim örtlichen Händlerschiff gegen andere Ressourcen, nützliche Gebrauchsgegenstände, neue Waffen oder Credits. Credits sind dabei nicht zu unterschätzen, sind sie doch die einzige Währung, die in dauerhafte Upgrades investiert werden kann. Wie in den meisten Rogue-likes müssen wir nach dem Tod nämlich wieder im ersten Sektor beginnen und verlieren dabei alle gesammelten Gegenstände und Ressourcen. Credits bleiben hingegen erhalten und können vor dem Neustart in unvergängliche Perks investiert werden. Beispielsweise die Schildkapazität, die Anzahl der Waffenslots, einen geringeren Treibstoffverbrauch bei Sprüngen, erhöhte Chancen auf Loot und viele weitere Upgrades. Insgesamt sind es 31 Perks, die teilweise bis zu 20 Mal aufgelevelt werden dürfen, um uns die Reise zu erleichtern.
Um in Everspace erfolgreich zu sein, müssen also viele Tode in Kauf genommen werden. Looten, Sterben, Leveln, beim nächsten Mal einen Bereich weiterkommen. Ein simples Prinzip, das sich jedoch als ungemein motivierend herausstellt. Noch ein Versuch, noch ein Sektor, endlich genug Credits für den verbesserten Antrieb – das macht förmlich süchtig.
Doch wozu eigentlich das Schiff upgraden? Natürlich um den ständigen Gefahren trotzen zu können. Denn im Kern ist Everspace ein waschechter Space Shooter. Feindliche Schiffe, kleine wie große, Raumbasen mit Geschütztürmen und zielsichere Drohnen gibt es nämlich überall. Einige davon sind neutral, die meisten hingegen mies gelaunte Weltraumpiraten, die uns ans Leder wollen. Also heißt es: Waffen durchladen und zurückschießen. Neue Bewaffnung findet sich verstreut in Kisten, unter den Hinterlassenschaften abgeschossener Gegner oder bei Händlern. Maschinengewehre, Plasmakanonen, Laser, Flakgeschütze, Raketen, Schild- oder Hüllenbrecher, Mienen und so weiter – das Arsenal ist reichhaltig und lässt keine Sci-Fi Wünsche offen. Die Steuerung fällt dabei sehr arcadig aus. Im Gegensatz zur Space-Sim Konkurrenz, spielt sich Everspace schnell und direkt. Präzise Manöver sind dank des reaktionsfreudigen Movements kein Problem und eine Lock-on Funktion mit etwas Auto-aim erleichtert die rasante Action. Nach kurzer Eingewöhnungszeit gehen die Bewegungsabläufe in Fleisch und Blut über und erlauben spektakuläre Gefechte, welche einen effektgeladenen und schweißtreibenden Gegenpol zur ansonsten eher gemütlichen Ressourcen-Suche darstellen.
Doch sind die gegnerischen Raumschiffe nicht die einzige Bedrohung. Von Sektor zu Sektor nehmen nämlich auch die natürlichen Gefahren zu. So trachten uns etwa schwarze Löcher nach dem Leben, energiegeladene Wolken stören die Instrumente oder gewaltige Sonnenstürme fressen an der Schiffshülle.
Das ist nicht nur spielerische spannend und abwechslungsreich, sondern sieht vor allem fantastisch aus. Everspace ist bereits in der jetzigen Version ein außerordentlich hübsches Spiel, voller gleißender Effekte, detaillierter Hintergründe und imposanter Strukturen. Dazu läuft es auch noch butterweich. Unreal Engine 4 sei Dank.
Technisch wie spielerisch macht es bereits im Early Access vieles richtig. Eine Story gibt es aktuell aber noch nicht. Jedenfalls keine, die über einige Hintergrundinformationen und vage Andeutungen hinausgeht. Zwar führt uns die englisch vertonte (deutsche Texte und Synchronisation sind geplant) Bord-KI durch die Sektoren, erzählt sporadisch etwas über das vorliegende Sci-Fi Universum und spricht zuweilen auch unser Reiseziel an, erläutert dieses mysteriöser Weise aber nie vollständig. Missionen sind momentan ebenfalls noch Mangelware und wenn nur in sehr rudimentärer Form vorhanden. Zum Beispiel müssen wir einem beschädigten Frachter bei der Reparatur helfen, indem wir ihm bestimmte Ressourcen übergeben und kassieren dafür Credits. Optionale Challenges, wie „Zerstöre 50 Treibstofftanks in einem Durchgang“ oder „Locke ein feindliches Schiff in ein Schwarzes Loch“, runden das aktuell noch magere Missionsbild ab. Für die finale Version, welche im ersten Quartal 2017 erscheinen soll, verspricht Entwickler Rockfish aber eine fesselnde, non-lineare Story mit interessanten Charakteren und zwei weitere Raumschiffe. Dennoch ist der Umfang schon jetzt beachtlich. Wer den siebten und letzten Sektor der Early Access sehen möchte, muss locker 15 bis 20 Spielstunden investieren und hat dann wahrscheinlich immer noch nicht jedes Geheimnis gelüftet oder jede Waffe ausprobiert.
Fazit:
Everspace ist bereits im jetzigen Zustand ein erstklassiger Space Shooter mit tiefgreifenden rouge-like Elementen. Mit jedem Durchgang werden wir etwas stärker, sehen mehr vom Universum, schalten bessere Ausrüstung frei und kommen unserem geheimnisvollen Ziel einen Schritt näher. Ein überaus befriedigendes Spielprinzip vor audiovisuell berauschender Kulisse. Wenn Rockfish demnächst noch einen Storyrahmen um diese einwandfreie Spielmechanik baut, steht uns ein vielversprechender Space Shooter bevor. Wer nicht zwingend einen roten Faden braucht, kann augenblicklich und bedenkenlos mehrere Stunden in der Early Access Version versinken. Alle anderen dürfen sich auf die Vollversion freuen.
(getestet von MiXer)