Nach elf Jahren wird Capcoms erfolgreiche Action-Serie endlich fortgesetzt. Devil May Cry ist zusammen mit Gamedesignerlegende Hideaki Itsuno endlich zurück. Im fünften Ableger der Hauptreihe schlüpfen wir in die Rollen der Dämonenjäger Dante, Nero und dem mysteriösen V. Ob die Rückbesinnung zu alten Tugenden auch alte Qualitäten aufleben lässt, erfahrt ihr in unserem Test.
Das Szenario ist die Steilvorlage für Style und Coolness. Die Welt wird von höllischen Dämonen bedroht. Der Nachfahre des legendären Dämonenjägers Sparda, Dante, macht seine mörderischen Talente zu einem lukrativen Geschäft. Während die Erde zum apokalyptischen Schlachtfeld transmutiert, legt er im Büro seiner Agentur Devil May Cry die Füße auf den Tisch. Zumindest bis der mysteriöse V auftaucht und ihn damit beauftragt, den Dämon Urizen zu beseitigen.
So weit, so gewöhnlich, – bis sich diese irgendwie typische Videospielgeschichte beginnt auf dem heimischen Bildschirm zu inszenieren. Dann wird den endzeitlichen Kreaturen die Zigarette zwischen den Augen ausgedrückt, bevor sie in überdrehter Anime-Manier Katanastahl und Kugelblei zu schmecken bekommen. Devil May Cry trieft aus jeder Pore mit übertriebener, abgeklärter Lässigkeit, während die Kampfchoreographien ein ungesehenes Effektfeuerwerk zünden. Kann das Spiel bei all der Liebe zur Oberflächlichkeit auch auf inhaltlicher Ebene überzeugen? Ja und nein. Denn wo der Serienfan noch jeden Happen zu etablierten Familiendramen und Dämonenfürsten zufrieden aufsaugt, wird der Neuling ins kalte Wasser geworfen und darf sich die etwas löchrige Handlung mit Bruchstücken aus der Ingame-Enzyklopädie zusammensetzen.
Kommen wir also zurück zur fulminanten Inszenierung und ob sie ihren Weg von aufwendigen Zwischensequenzen zum Action-Gameplay findet. Sagen wir es so, was uns hier zur passiven Bewunderung aufgetischt wird, ist lediglich der Aperitif für den aktiven Hauptgang.
Als Character Action Game erwarten wir natürlich ein rasantes Kampfsystem, das gezielte, reaktionsfreudige Ausweichen und Angreifen, das Verketten der Aktionen zu unaufhörlichen Combos. Devil May Cry 5 gibt sich mit dem kleinen Einmaleins des Genres nicht zufrieden. Es ist die exponentielle Erweiterung seiner Klasse und multipliziert sich noch mit drei. Drei, weil wir im Zuge der Kampagne die Geschichte aus der Perspektive dreier Charaktere erleben.
Nero ist der kesse Jungspund des Spiels. Er trägt nicht nur ganz nach der Serienikone Dante Schwert und Pistole, sondern ließ sich seinen abgetrennten Arm auch durch eine wechselnde Auswahl an Armprothesen, die Devil Breakers, ersetzen. Dabei handelt es sich um allerlei Ergänzungen des Kampfsystem, die von Blitzangriffen und Megaman-Kanonen zu exotischen Varianten wie der Pastagabel reichen, die Gegner wirbelnd beschäftigt. Wir rüsten zwar mehrere Arme aus, müssen aber diese auch in der gewählten Reihenfolge verwenden. Wird ein Arm absichtlich oder im Kampf zerstört, schalten wir automatisch zum nächsten Devil Breaker. Das zwingt uns zur Vorausplanung und Anpassung, verhindert aber gleichzeitig auch das Experimentieren. Ich persönlich glaube, eine etwas flexiblere Ausstattung hätte dem Kampfsystem nicht geschadet.
Flexibel sind wir aber dafür umso mehr beim alteingesessenen Dante, der zentralen Figur der Devil May Cry-Reihe. Er wechselt auf Knopfdruck zwischen acht Waffen hin und her und beherrscht vier Kampfstile und zwei dämonische Verwandlungen, die flüssig ineinander übergehen. Die Komplexität ist beeindruckend und während das Spiel uns behutsam an die Mechaniken heranführt, müssen wir auf höheren Schwierigkeitsgraden aus den Tiefen der Möglichkeit schöpfen, um mit hohen Rankings zu triumphieren.
Der dritte im Bunde ist der mysteriöse V, ein interessanter Charakterkopf, dunkel gekleidet, melancholisch immer in sein Buch vertieft und körperlich zerbrechlich. Aber nicht nur seine Erscheinung weckt unsere Neugier, – seine Kampfkunst stellt ein Novum des Genres dar. Er verzichtet auf direkte Auseinandersetzungen und lässt seine drei Dämonen für ihn kämpfen. Auf Distanz kommandieren wir einen draufgängerischen Vogel, einen schattenhaften Panther und einen überaus zerstörerischen Golem, und kombinieren dynamisch ihre unterschiedlichen Angriffe, während wir mit V lediglich ausweichen und letztendlich den tödlichen finalen Schlag mit dem Gehstock ausführen.
Jeder dieser Charaktere hätte sein eigenes Spiel verdient. Jeder dieser Charaktere übertrifft sogar den spielerischen Umfang der Konkurrenz. Aber ein gutes Kampfsystem kraxelt sich am Konter seiner Umwelt hoch. Devil May Cry 5 beweist das nach nach all seinen Vorgängern routiniert. Unsere Gegner wachsen nicht nur in der Größe, sondern auch in ihren Kampfmustern. Die ersten insektoiden Dämonen fordern nicht viel Geschick und zeigen sich gegen all unsere Angriffe wehrlos, bei späteren Gegnern sollte man aufpassen, in welcher Form man Schaden vermeidet und wie man die Verteidigung durchbricht, und die Bosse stellen dann all unser Können auf die Probe. Anfangs noch überschaubar, stehen sie im späteren Verlauf uns in nichts nach und wir müssen unser umfangreiches Moveset schlichtweg besser als der schier unbezwingbare Feind seines beherrschen.
Und um auf eine frühere Frage zurückzukommen: An dieser Stelle klappt dann auch gerne die Kinnlade auf den Boden und wäre inmitten des Bosskampfs die Zeit dafür, würden wir ungläubig blinzeln beim Anblick dieser Inszenierungswucht. Hier vermengen sich unsere opulenten Combos mit einzig für den Encounter designten Animationen zu einem atemberaubendem Schauspiel, das selbst die Cutscenes in den Schatten stellt.
Das ist aber nicht nur das Produkt raffinierten Gameplays und gekonnter Regie. Auch audiovisuell weiß Devil May Cry 5 zu überzeugen. In butterweichen 60fps zu einem harten, dynamischen Soundtrack tänzeln die referenzverdächtigen Charaktermodelle über den Bildschirm. So sehr allerdings auch das Charakter- und Monsterdesign begeistert, so sehr flacht der optische Eindruck der Umgebungen ab. Anfangs glaubt man sich zwar noch am fortgeschrittenen Beleuchtungssystem nicht satt sehen zu können, ist man irgendwann bei all den kahl-grauen Gebäuden und rot-schwarz höllisch-infizierten Höhlen doch schnell übersättigt. Selbst die wenigen interessanten Kulissen werden stiefmütterlich in Szene gesetzt und lassen sich schnell übersehen.
Das ist spätestens beim fünften Durchgang aber schnell vergessen. Devil May Cry 5 funktioniert als klassisches Einzelspielerabenteuer tadellos. Für Fans der Reihe ist der erste Durchgang mit seinen ungefähr 15 Stunden Spielzeit aber nur das Tutorial, um die Spielmechaniken kennenzulernen. Dann werden die weiteren Schwierigkeitsgrade in Angriff genommen, die nicht nur rohe Gesundheits- und Schadenswerte skalieren, sondern Gegnergruppen neu durchmischen, ihnen ein neues KI-Verhalten spendieren und Bosse mit neuen Angriffen noch mächtiger gestalten. Als wäre das reine Durchkommen nicht schon schwer genug, lockt das Rating-System mit einer Jagd auf möglichst viele Style-Punkte. Capcom verspricht auch bereits für den kommenden Monat ein kostenloses Update mit dem Arena-Modus Bloody Palace, der den Wettstreit um die besten Kämpfer in den Mittelpunkt setzt, und auch im kooperativen Modus angegangen werden kann.
Fazit:
Erst Resident Evil 7, dann Monster Hunter World, erst zuletzt Resident Evil 2 Remake und jetzt Devil May Cry 5. Capcom meldet sich diese Generation stärker denn je zurück. Völlig vorbei an dominierenden Markttrends entwickelt Capcoms Traditionsschmiede unter Hideaki Itsuno eine herrlich konventionelle, lineare Einzelspielerkampagne alter Schule. Devil May Cry 5 weiß genau, was die Fans wollen: Stylishe Action und ein Kampfsystem, das sich zusammen mit den Fähigkeiten des Spielers in unermessliche Höhen entwickelt. Neugierigen wird hier eine ideale Möglichkeit geboten, sich mit der Serie vertraut zu machen, während Veteranen wahrscheinlich zusammen mit mir bereits den x-ten Durchlauf starten. Das ist nicht nur ein Höhepunkt der Serie, sondern ein Höhepunkt des Genres.
(getestet von eape)