Schon als Early Access-Titel galt CrossCode als Geheimtipp. Das Action-Rollenspiel aus deutschem Lande ist bei Radical Fish Games bereits seit 2012 in Entwicklung und erblickte mit Publisher Deck13 nun endlich für alle gängigen Plattformen das Licht der Welt. Was lange währt, wird endlich gut, sagt man, und in unserem Review könnt ihr nachlesen, ob das auch für dieses ambitionierte Debütprojekt gilt.
Wer sich schon einmal in den Fängen eines MMOs befand, wer irgendwann der Sucht nachgab und die Welt eines Online-Rollenspiels zu seiner Heimat machte, wird in CrossCode mitfühlen können. Denn Lea kennt nichts anderes mehr. Sie ist in der Welt des MMORPGs CrossWorlds völlig versunken. Jedoch nicht ganz freiwillig. Sie leidet unter einer schweren Amnesie und nutzt ihren virtuellen Avatar, um ihrem Gedächtnis wieder auf die Sprünge zu helfen.
Diese Idee des Spiels im Spiel ist nicht neu, und sie birgt ihre Gefahren. Es ist nicht leicht eine überzeugende Bindung zwischen der spielinternen Realität und dem dominanten Gameplay der untergeordneten Spielwelt herzustellen. Oft verfällt die Geschichte hier abgedroschenen Konzepten. Bei CrossCode war ich zu Beginn auch skeptisch. Die Prämisse wirkte anfangs aufgesetzt. Mit zunehmender Spielzeit offenbarten sich aber die tiefgehenden Gedanken des Autors und der Spielaufbau entpuppte sich als clevere, innovative Idee.
Das liegt weniger an groben Inhalten und vielmehr an der gekonnten Ausführung, die Fingerspitzengefühl beweist. Ein Spiel, das etwas überzeichnet und klischeebehaftet ein MMORPG darstellen will, findet sich in einem Minenfeld aus generischen Handlungen und generischem Gameplay wieder. Und so ganz unbeschadet kommt hier CrossCode auch nicht davon. Wir starten in einer generischen Hafenstadt, sollen generische Monster- und Hol-und-Bring-Quests absolvieren und dabei das Geheimnis generischer Götter lüften. Und diese MMO-Fassade wird auch nur sehr zaghaft aufgebrochen.
Dieses zaghafte Aufbrechen des Spiels im Spiel funktioniert subtil, aber wirkungsvoll. An einem Punkt fängt nach mehreren Stunden gemeinsamen Questens unsere französische Partybegleiterin Emilie von ihrem Privatleben zu erzählen. Dieser frische Hauch der Realität weckt unser MMO-ermüdetes Hirn wieder auf, es bringt aber in erster Linie auch Lea zum Grübeln. Sie bricht aus ihrer Rolle heraus und spammt vorgefertigte Phrasen „Why?“ und „How?“ in die Spielwelt. Der innere Konflikt Leas drängt sich immer mehr in den Vordergrund, während die lockere MMO-Welt in der Geschichte immer weiter degradiert wird. Hier erwartet den Spieler ein überraschend gutes Writing.
Während inhaltliche Stärken noch gut limitierten Budgets und Ressourcen trotzen können, ist beim Gameplay eines großen Action-Rollenspiels Skepsis angesagt. Oberflächlich weckt CrossCode mit seiner 16bit-Ära-Ästhetik auch direkt Erinnerungen an den populären RPG Maker, und das nicht grundlos. Die Entwickler des Studios waren in dieser Szene erfolgreich und haben nun ihre Erfahrungen auf die Programmiersprache HTML5 übertragen. Trotz äußerlicher Gemeinsamkeiten wird das Spiel also mit einer gänzlich anderen Engine betrieben.
Und das merkt man auch mit der ersten Bewegung. Lea steuert sich ungemein reaktionsschnell und präzise. Ihr Moveset erinnert an moderne Indie-Spiele wie Hyper Light Drifter Und weniger an SNES-RPGs alter Schule. Mit einem Knopfdruck dashen wir flink über den Bildschirm, halten wir den Knopf gedrückt, bauen zücken wir unseren Schild. Mit der Angriffstaste lösen wir schnelle Nahkampfcombos aus oder drücken dabei noch den rechten Stick in eine Richtung, um Laserkugeln zu verschießen. CrossCode ist schnell und intuitiv, erinnert uns aber mit umfangreichen Skill Trees, das hier ein Rollenspiel unter der Haube steckt. Hier können wir Lea mit unterschiedlichen Spezialaktionen aufrüsten, die ihre Grundfähigkeiten erweitern.
So können wir beispielsweise einen Kugelhagel abfeuern, Minen abwerfen oder unseren Block mit einem gleichzeitigen Angriff aufwerten. Nebenher gibt es auch passive Vorteile in den Talentbäumen und unsere Ausrüstung erlaubt uns weitere Anpassungen am Charakter.
Das Charaktermanagement richtet sich vorwiegend auf die Kampffertigkeiten. CrossCode konzentriert sich insbesondere in der offenen Welt auf den Schlagabtausch mit angriffslustigen Kreaturen. Die Monster erfordern allerdings mit der Zeit immer raffiniertere Taktiken. Simples Buttonmashing bringt uns nicht weit. Knochenfische sind beispielsweise nur verwundbar, wenn sie kurzzeitig an die Oberfläche springen. Klappern sie vor einem Angriff mit ihrem Skelett, können sie auch kurzzeitig außer Gefecht gesetzt werden. Andere Gegner fordern einen gezielten Einsatz der Elementfähigkeiten, die man nach und nach freischaltet. Die Kämpfe sind anspruchsvoll, setzen Geschick und Beobachtungsgabe voraus und fühlen sich trotz ihrer Komplexität herrlich intuitiv an. Zelda lässt grüßen.
Und Zelda grüßt gleich ein zweites Mal, wenn es um die Rätsel und Hüpfpassagen geht. In den Dungeons ist jeder Raum eine Aufgabe, die es zu verstehen und zu bewältigen gilt. Und das Niveau ist erstaunlich hoch. Schritt für Schritt wird man vorsichtig in neue Mechaniken eingeführt, die ein immer tieferes Verständnis fordern. Es werden Säulen bewegt, Schalter im richtigen Takt benutzt, wir schmelzen Eisblöcke für Dampfmaschinen und vereisen Wasser für Übergänge. Die Rätsel erfreuen das Adventure-Herz und schon lange hat mich ein Dungeondesign nicht mehr so sehr überzeugen können wie hier. Und selbst abseits der Dungeons wartet das Spiel regelmäßig mit optionalen, auflockernden Aufgaben in Form von Minispielen auf, die nicht nur abermals an den grünen Schwertkämpfer erinnern, sondern auch dessen Qualitäten erreichen.
Selbst beim Umfang wird geklotzt und nicht gekleckert. CrossCode ist seit fast acht Jahren in der Entwicklung gewesen und das spiegelt sich in der Spielzeit wider. Nach 30 Stunden wird man gerade einmal die Hauptstory durchgespielt haben, es folgen zig Stunden für optionale und teilweise sehr lohnenswerte Inhalte. Glücklicherweise bietet das Spiel auch ein vorbildliches Menü mit übersichtlichen Logbüchern und Informationen, so dass man nie den roten Faden verliert.
Technisch gibt es nichts zu beanstanden. Das Spiel läuft flüssig und sauber. Der angestaubte Stil hat seinen Charme und bekommt Bonuspunkte für die Nostalgieerfahrung, ist aber ansonsten nicht viel mehr als zweckdienlich. Der Soundtrack von Deniz Akbulut begleitet das Abenteuer mit passenden Musikstücken und hat auch das ein oder andere imposante Hoch.