David OReilly ist ein irischer Filmproduzent und Künstler. Zusammen mit Double Fine stellt er nun sein aktuelles Werk vor, das offiziell als prozedural generierte, KI-geführte, interaktive Natursimulation beschrieben wird. Wer sich darunter genauso wenig vorstellen kann wie wir, schaut in unseren Test. Wir haben für euch auf PS4 und PC einen Blick in diese originelle Erfahrung riskiert.
What is a thing? Der britische Philosoph Alan Watts stellt mit seiner ruhigen, gefassten Stimme diese fundamentale Frage in den Raum. Was ist ein Ding? Aber während wir der Lösung des Rätsels lauschen, fragen wir uns selbst, was eigentlich ein Spiel ist. Denn wir steuern einen Elch und drehen uns in einem kärglichen Wald um unsere eigene Achse, um Steine und Wölfe anzusprechen, die uns kryptische Aussagen liefern.
Uns bleibt also nicht viel übrig als über Watts‘ Vortrag, dem augenscheinlich zentralen Thema dieses Spiels, nachzudenken und die Verknüpfung zum rudimentären Spielgeschehen zu suchen. Ein Ding sei eine sprachliche Darstellung. Unser Hirn rattert und sucht nach Referenzen. Verbindungen lassen sich bei einer solch grundlegenden Thematik leicht finden, aber sie erscheinen vage und unbefriedigend.
Ein Blick ins Menü kann vielleicht wenigstens beantworten, was es mit Everything auf sich hat. Tausende Dinge scheint zu es entdecken zu geben und darunter auch viele weitere Aufzeichnungen des Philosophen, der – nach kurzer Internetrecherche – im letzten Jahrhundert seine von fernöstlicher Philosophie inspirierten Gedanken veröffentlicht haben muss.
Während wir Zen-artig zu sonderbarer Musik die Spielwelt erkunden und sporadisch neue Vorlesungen auslösen, lernen wir auch weitere Fähigkeiten einzusetzen. Unser Elch kann sich mit anderen Elchen verbünden und zusammen lassen wir die Elche dann tanzen, um neue Elche zu gebären. Eine frühe Fähigkeit mag weniger bizarr klingen, aber hatte eine unerwartete Wirkung auf mich. Wir können uns in nahe Dinge hineinversetzen, die entweder größer oder kleiner als wir selbst sind. Wir werden zur Katze und dann zum Stein, zur Ameise und zum stäbchenförmigen Bakterium, zum Wassermolekül. Es ist eine ungewöhnliche Reise.
Es ist demnach kein Zufall, dass Watts irgendwann über Relationen und Skalen doziert. Mit seiner angenehm bodenständigen Art und interessanten Gedankengängen hatte er uns schon längst am Haken, langsam werden die Konturen dieser Erfahrung aber härter und wir erkennen, dass wir hier kein Spiel spielen, sondern visualisierte, interaktive Philosophie genießen, ein Konstrukt, das ich so noch nicht erlebt habe und das trotz seiner Einfachheit einen eigenwilligen Reiz aussendet. Es ist eine Abstraktion eines philosophischen Gedankenbilds.
Fazit:
Was ist Everything? Es maskiert sich als merkwürdige, ziellose Sandbox-Erfahrung, die nach kurzer perplexer, konfuser Überraschung langweilen sollte. Doch sobald die Stimme des Denkers Alan Watts einsetzt, gewinnt dieses Medium an Größe und fasziniert nicht nur als neuartige Idee, sondern auch direkt mit seinen anregenden Lehren, die in der Interaktivität eine Form bekommen. Everything kann für den einen nichts, für den anderen aber alles sein und ein Tor zu fremden Gedankenwelten öffnen.
(getestet von eape)