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Im Test: Marvel’s Avengers (PC, PS4, One)

Es ist nicht leicht an diese Dimensionen zu kommen. Marvel ist seit Jahren in aller Munde, erobert Fans und Kinocharts, und als wäre das nicht genug, breitet sich das beliebte Franchise nun auch auf unseren Konsolen aus. Square Enix setzt seine besten Entwickler für dieses Mammutprojekt ein und veröffentlicht nun Marvel’s Avengers, ein Spiel das nicht nur eine Hollywood-würdige Kampagne liefern soll, sondern auch als Online-Game unzählige Helden vereint. In unserem Review wagen für uns an dieses ambitionierte Ungetüm und teilen mit euch unsere Erfahrungen.

With great power there must also come great responsibility. (Uncle Ben)
Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Und das gilt nicht nur für Superhelden. Die Avengers-Streifen dominieren die erfolgreichsten Filme, die Marke Marvel war noch nie so groß wie heute. Man kann sie nicht ignorieren und für einen beachtlichen Teil junger Menschen steht sie im Fokus zeitgenössischer Popkultur. Alle Augen richten sich auf neues Material dieser schier unendlichen Saga, seien es Comics, Filme, Serien und eben Videospiele.

Spider-Man selbst hat diese Bürde mit Erfolg gemeistert. Nicht nur in seiner persönlichen Geschichte. Die Interpretation der Comics durch Sony und Insomniac Games war der Startschuss für Marvel’s hochwertige Ausbreitung auf den Spieleplattformen. Und das nächste Projekt, Marvel’s Avengers, sollte noch viel größer werden. Square Enix und Entwickler Crystal Dynamics wollten mehr als nur eine spektakuläre Kampagne. Sie erschufen ein Universum, in dem man sich mit all den bekannten Helden mit stetig neuen Inhalten austoben kann. Aber jede große Reise beginnt mit einem kleinen Schritt.

I AM IRON MAN. (Iron Man)
Ein Traum wird wahr. Das Cover des Spiels zieren Iron Man und Captain America, daneben Hulk und Thor, die populärste Figuren des Marvel-Universums in einem Spiel vereint. Wer wird die Ehre haben und das Abenteuer einläuten? Weder noch. Es ist Kamala Khan, (noch) keine Superheldin, sondern ein nerdiges Mädchen pakistanischer Abstammung, für die ein Traum in Erfüllung geht als sie dank ihrer Fan Fiction auf die Avengers treffen darf.

Es ist mutig keinem weltbekannten Avenger das Rampenlicht zu schenken, es ist (traurigerweise selbst heutzutage) lobenswert progressiv, einer jungen dunkelhäutigen Frau und einer offenen und offenherzigen Muslima diesen Platz zu bieten. Es ist aber eine Herausforderung hier politisches und gesellschaftlichen Fingerspitzengefühl zu beweisen. Dank einem internationalen und bunt gemischtem Autorenteam mit Spitzen aus Naughty Dog’s Writern ist es aber auch Crystal Dynamic gelungen einen einzigartigen und glaubhaften Charakter zu etablieren, der Sympathie regelrecht ausstrahlt. Kamala ist inmitten einer weltbekannten Riege der heimliche Star.

Das führt sich auch im weiteren Verlauf der Geschichte fort, wenn Kamala als Ms Marvel mit ihren neu gewonnen Superfreunden interagiert. Erst noch eingeschüchtert-schüchtern dauert es nicht lange bis sie zwischen Hulk und Iron Man ein neues zuhause findet und ein munteres, aufgewecktes Gegengewicht zu den seriösen Boomer-Helden liefert. Da wird dann neben Bruce Banner im Campingwagen Icona Pop aufgedreht und Tony Stark das selbstgenähte Kostüm im Burkini-Design präsentiert. Kamala wühlt das erwartete, bekannte Szenario auf und schenkt dem Spiel erfrischende Auflockerungen.

Aber zurück zu Explosionen und Super Villains. Nachdem wir im Intro mit Fan Service bombardiert worden sind, die Avengers kennen und Kamala lieben gelernt haben, fliegt comictypisch alles in die Luft. Und was Inszenierungsbombast angeht, muss sich das Spiel nicht hinter Call of Duty oder Uncharted verstecken. Wenn Hulk die Erde zum Beben bringt, Iron Man mit flotten Sprüchen an einem vorbeirauscht während im Hintergrund lizenzierte Rockmusik läuft und Thor die Kulissen unter Strom setzt, jagd ein Adrenalinschub den nächsten und das Fanherz schlägt am Limit. Avengers überzeugt hier mit höchsten Production Values, die von Anfang an Lust auf die Kampagne machen.

Faith is my sword. Truth is my shield. Knowledge my armor. (Doctor Strange)
Natürlich läuft für unsere Helden nicht alles optimal. Nach dem Effektgewitter wird es ruhiger. Die Stimmung wird bodenständiger, das Spiel punktet mit einem erstklassigen Drehbuch und einer hochwertigen Umsetzung. Die Dialoge sind exzellent geschrieben, das Acting wird dem gerecht und der Humor hält mit den Filmen gekonnt mit.

Auch das Gameplay pendelt sich ein. Nach den anfänglichen stark geführten und fulminant inszenierten Passagen, werden uns jetzt die Feinheiten des Kampfsystems vorgestellt. Avengers ist ein Action-Adventure mit starkem Rollenspieleinfluss. Wir haben schnelle und starke Angriffe, kombinieren sie in Combos, können gegnerischen Attacken ausweichen oder sie kontern, springen und fliegen durch die Welt und haben je nach Held auch ein Repertoire an Fernkampfangriffen. Alles kann verbessert werden, durch Fähigkeitspunkte oder mit neuem Equipment, und natürlich dürfen auch mächtige Spezialaktionen nicht fehlen. Dabei haben wir immer eine Support-Fähigkeit, Ms Marvel fungiert beispielsweise als Heilerin und der Hulk kann seine Defensive verstärken und die Gegner auf sich konzentrieren lassen, und einen starken Angriffskill, Iron Man schießt einen Laser aus der Brust und Thor elektrisiert die Gegner. Dazu kommt noch ein persönlicher Buff, der sehr flexibel genutzt werden kann und als Höhepunkt ein Superangriff.

Das ist alles relativ komplex und bedarf einer gewissen Einarbeitung, aber man hat hier eine gute Balance geschaffen mit einem festen Fundament für alle Helden und individuellen Elementen, die zu völlig anderen Erfahrungen und Strategien führen. Auf höheren Schwierigkeitsgraden muss die Symbiose zwischen den Fähigkeiten gemeistert werden; wer aber den Superheld Superheld sein lassen will, schaltet die Herausforderung herunter und genießt die Geschichte.

Schade ist hierbei aber, dass bei den Gefechten zu selten für Abwechslung gesorgt wird. Da bietet das Marvel-Universum eine unerschöpfliche Quelle an interessanten Widersachern, bekämpften tun wir aber sehr selten charismatische Kontrahenten. Dabei hätten häufigere Bosskämpfe gegen die altbekannten Schurken spielerisch und inhaltlich für den nötigen frischen Wind gesorgt.

That… sounds kinda scary. And morally questionable? (Kamala Khan)
Was sich in den ersten Stunden wie ein hochgradig lineares, stark inszeniertes klassisches AAA-Singleplayer-Spiel anfühlt, kann zunehmend Zweifler provozieren. Das beginnt mit dem Charaktermenü, das stark an Destiny erinnert und immer wieder stolpern wir über Truhen und Ressourcen, die bisher wenig Aufmerksamkeit vom Spiel bekommen haben. Wir erhalten ein Hauptquartier mit Händlern und anderen NPCs und suchen die nächste Mission auf einer Weltkarte aus, und irgendwann kommt der Moment, in dem das Spiel uns dazu auffordert als nächste Kampagnenmission ein Multiplayer-Level zu spielen. Das geht letztendlich auch alleine, aber der springende Punkt ist, dass das Spiel hierbei auf allen Ebenen absackt. Die atmosphärisch designten Abschnitte voller liebevoller Details werden durch Hubareale ersetzt mit generischem Leveldesign und Copy-Paste-Basen. Die Inszenierung durch Cutscenes wird auf ein Minimum reduziert und die gelungene Mischung aus ruhigen Abschnitten, spektakulären Kämpfen, Verfolgungsjagden, kleinen Rätseln und Platforming, muss langweiligen Missionstypen weichen, die sich ständig wiederholen: Drücke drei Köpfe an einer Basis und erhalte eine Truhe. Töte einen starken Roboter. Und als Hauptaufgabe neben diesen Nebenzielen müssen wir drei Flächen einnehmen, die immer wieder von Gegnern zurückerobert werden. Das dämpft die Freude erheblich.

Ab dieser verpflichtenden Multiplayermission schwankt die Qualität der Einzelspielerkampagne erheblich. Immer wieder prügeln wir uns lustlos durch lieblose Aufgaben, um dann wieder von großartigen Szenen geweckt zu werden. Es ist bezeichnend, dass wir spezielle Ressourcen in optionalen, generischen Aufgaben sammeln müssen (glücklicherweise ist das schnell erledigt), um das Finale freizuspielen. Das hat es dafür aber in sich. Die finalen Momente sind der Höhepunkt des Spiels, ein einstündiger Adrenalinrausch, bei dem jeder Held den anderen übertrumpft – ein Ende, das der Marke mehr als gerecht wird. Und am Ende hat Kamala unser Herz erobert, die Gefahr ist augenscheinlich gebannt und ein befriedigendes Gefühl bleibt.

Avenger’s Endgame

Die Zeichen zu deuten ist hier nicht schwer und das Ende ist erst der Anfang. Die Bedrohung ist doch immer noch da und wir müssen mehr Superhelden vereinen, um Bösewichte und ihre Klone zu stoppen.

Marvel’s Avengers hat im Gegensatz zu anderen Service-Games wie Destiny oder The Division eine qualitativ hochwertige Kampagne, die mit vollwertigen Singleplayer-Spielen konkurrieren kann, aber sie ist auch hier eingeflochten in ein Game-as-a-Service-Konstrukt, das zuallererst Bungie’s Destiny nachempfunden ist.

Das ist per se nichts Schlechtes. Es macht Spaß zu viert Gegnerhorden zu vermöbeln, glänzenden Loot zu finden, sein Powerlevel zu erhöhen, seine Lieblingshelden zu perfektionieren und sich immer größer werdenden Herausforderungen zu stellen.

Ich wünschte nur, dass man sich hier mehr Mühe mit dem Aufgabendesign gegeben hätte. Denn es läuft darauf hinaus, dass man in eine der fünf, sechs Hubwelten geschmissen wird, dort dann generischen Nebenmissionen abarbeitet und die primäre Aufgabe ist dann eine etwas größere generische Aufgabe oder im besten Fall einer von zwei Supervillains.

Das ist ernüchternd und während es jetzt noch das Spiel gerade so tragen kann, müssen in Zukunft zu den toll designten Helden auch annehmbar designte Encounter kommen, die nicht allein vom Kampfsystem der Spielcharaktere leben. Das Potenzial ist nämlich da, und wenn wir nicht nur Roboterbasen auseinandernehmen, sondern themenspezifische Dungeons besuchen, die uns die Superhelden und auch die Supervillains näher bringen, dann wird es auch ausgeschöpft.

Es mangelt auch leider noch etwas an der Optimierung des Multiplayer-Parts. Das Matchmaking gestaltet sich sehr holprig und der ein oder andere Bug kann die Spieler zum Neuladen des Checkpoints zwingen. Hier besteht Patchbedarf.

Higher, further, faster, baby. (Captain Marvel)
Aber auch sonst kann es heftigen Slowdowns kommen, wenn mehrere Superhelden ihre Spezialangriffe auf eine Meute Gegner fokussieren. Das sieht fulminant aus, läuft aber gefühlt in Zeitlupe. Glücklicherweise gibt es für PS4 Pro und Xbox One X neben dem 4K-Modus auch einen Performance-Modus, der diese Schwächelanfälle eindämmt.

Insgesamt sind die äußerlichen Werte des Spiels aber dem immensen Budget würdig. Die Helden wurden detailvoll ausgearbeitet und überzeugen mit referenzwürdigen Animationen, die nicht nur Schauwerte liefern, sondern unseren maskierten Rächern auch Charakter und Leben einhauchen.

Neben ikonischen zerstörerischen Wutausbrüchen von Hulk und Thors im gleißenden HDR strahlenden Hammerschwüngen haben es mir besonders die Nuancen in den Animationen von Ms Marvel angetan. Sie verbiegt und vergrößert ihren Körper nach Lust und Laune und zusammen mit ihrer liebenswürdigen Mimik, macht es Spaß ihr zuzusehen, wie sie ihre Hüfte verzerrt, um Gegnern auszuweichen, mit Riesenfüßen ihren Widersacher zertrampelt oder einfach ihre Hände nervös schüttelt, um ihre mächtigen Pranken loszuwerden.

Aber eine hübsche Grafik ist nichts ohne eine Präsentation, die diese stützt. Und während die erstklassige Inszenierung bereits angesprochen wurde, bin ich auch mit der HUD-Gestaltung sehr zufrieden. In vielen Momenten haben wir praktisch gar keine visuellen Hilfsmittel, die uns vom Geschehen ablenken und selbst in den mechanikreichen Gefechten wirkt das Bild sehr aufgeräumt und auf die wichtigsten Informationen beschränkt. Eine Wohltat für die Augen in einer Zeit, in der das Bild mit immer mehr Ballast verunstaltet wird. Das ist allerdings auch bitter nötig, denn die vielen Gegner und Effekte auf dem Bildschirm können auch so schon die Übersicht ins Chaos stürzen.

I still believe in heroes. (Nick Fury)
Marvel’s Avengers ist eine etwas eigenwillige Mischung, eine hochwertige Kampagne, die immer wieder in das Service-Konstrukt hineinragt, das das Spiel offensichtlich eigentlich sein will. Und tatsächlich hat es Crystal Dynamics geschafft mich erstklassig zu unterhalten. Die Protagonistin ist ein Goldgriff, jede Szene mit ihr und den Avengers ist ein Genuss, das Gameplay ist wuchtig mit genug Tiefe für viele Stunden, die Inszenierung in und außerhalb von Cutscenes überzeugt mit Humor, Action und großartigem Writing. Also warum verwässert man die Erfahrung mit Tutorials und Dailies und generischen Multiplayer-Missionen für Ressourcen und Häkchen in Checklisten, die hier nicht hineinpassen? Die Antwort ist einfach: Dem Kunden soll das große Ganze schmackhaft gemacht werden, das Game as a Service. Hier wird kompetent Destiny kopiert, aber es mangelt an Inhalten. Das Fundament ist stabil, das Potenzial ist da, aber statt die bunte Welt von Marvel zu nehmen und sich bei der Gestaltung der Missionen inspirieren zu lassen, wiederholen wir generisches Gekloppe mit Robotern in immer gleichen Basen. Hoffen wir, dass hier stetig guter Content nachgereicht wird, denn davon leben Spiele dieser Art. Also für wen ist Avengers jetzt empfehlenswert? Wer Bock auf ein actionreiches Abenteuer mit den Avengers hat, der wird die Kampagne trotz ihrer Talfahrten in Service-Gefilde genießen. Es ist zweifellos ein sehr gutes Spiel. Wer auf ein neues Third-Person-Destiny eingestellt ist und mit Freunden im Coop mit seinen Lieblingshelden für Unruhe Sorgen will, der wird seinen Spaß haben, sollte sich aber darauf einstellen, dass die Inhalte (noch) sehr limitiert sind. Und wer sich mit beiden Eckpfeilern grundlegend anfreunden kann, kann relativ bedenkenlos zuschlagen.  Wir sind jedenfalls bereits jetzt sehr gespannt darauf, wohin die Reise auf den Nextgen-Konsolen gehen wird und ob das Spiel mit den kommenden Updates das Vertrauen in die Helden zurückerobern kann. Der verheißungsvolle Start lässt darauf hoffen.

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