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Im Test: Mortal Shell (PC, PS4, One)

Der letzte Test zu einem Souls-like auf dieser Seite ist ehrlich gesagt nicht lange her, aber wie heißt es so schön? „No rest for the wicked!“ Mortal Shell ist der erste Titel aus dem Hause Cold Symmetry, einem neuen Studio gegründet von einer kleinen Gruppe an Industrie-Veteranen, die unter anderem an der Call of Duty-Reihe und Ghost of Tsushima mitgewirkt haben. Statt einem First Person Shooter oder einem Open World Samurai Adventure, erwartet uns hier aber ein düsteres Action-Rollenspiel mit einigen bekannten, aber auch neuen Mechaniken. Wir haben uns das Langschwert geschnappt, sind durch dunkle Dungeons gekrochen und haben jede erdenkliche Hülle fallen gelassen. Ob es sich gelohnt hat, erfahrt ihr wie immer im ausführlichen Test.

Wieso und warum wir in diesem verlassenen Land nun unser Dasein fristen, wissen wir nicht. Nur eine Stimme im Hintergrund leitet uns an unsere letzten Erinnerungen heran. Wir befinden uns in Fallgrim, einer sumpfigen Einöde und der Heimat von Kannibalen, Monstern und längst vergessenen Relikten aus einer anderen Zeit. Als einzig sicherer Zufluchtsort erblicken wir in der Ferne eine Turmruine und treffen dort auf die ersten hilfsbereiten Wesen, die zwar nicht direkt menschlich wirken, uns aber wenigstens nicht ans Leder wollen. Besonders eine bizarre Figur sticht hervor: ein Gefangener, der mit Ketten und Stahl in den Turm eingeschlossen wurde und uns um einen noch bizarreren Wunsch bittet. So sollen wir ihm die Lymphknoten von drei Heiligen bringen, die jeweils in verschiedenen Orten innerhalb des Landes vor sich hin schlummern. Erst dann sollen wir in der Lage sein, den Sinn hinter diesem ewigen Albtraum zu verstehen und wie man ihm entflieht.

In Mortal Shell ist es nun unsere Aufgabe, jeden Winkel von Fallgrim zu erkunden und dabei an die göttlichen Organe zu kommen, natürlich nicht ohne Gegenwehr. Typisch für moderne Action-Rollenspiele dieser Art treffen wir auf erbarmungslose Widersacher, die uns nichts schenken und regelmäßig ins Grab schicken. Das Haushalten unserer Ausdauer ist dabei genauso wichtig, wie das unserer Gesundheit und natürlich sammeln wir nebenbei eine Art Währung durch erschlagene Feinde, die wir bei einer mysteriösen Person gegen neue Fähigkeiten eintauschen können. Kurzum: Mortal Shell ist ein Souls-like wie es im Buche steht, doch mit einigen neuen und frischen Twists!

Einer der größten Unterschiede dürften die titelgebenden Mortal Shells sein, in denen wir schlüpfen, um unsere Schlachten zu schlagen. Denn ohne diese ist unser Protagonist eigentlich nur ein bleiches Etwas, welches nicht nur kein Gesicht besitzt, sondern auch so gut wie nichts einstecken kann. Erst in den leblosen Überresten ehemaliger Krieger stehen die Überlebenschancen zu unseren Gunsten. Statt auf verschiedene Rüstungssets und das Spezialisieren von etlichen „Builds“ setzen zu können, stellen uns die Entwickler vier dieser Hüllen zur Verfügung, die von uns nach und nach gefunden werden wollen und fest vorgegebene Werte und Fähigkeiten besitzen. So finden wir relativ früh die Hülle eines Ritters vor, der von all seinen Kameraden die ausbalancierteste Erfahrung bietet. Gut gepanzert, aber nicht zu schwer, um einen Sturm von Angriffen nicht ausweichen zu können. Andere Shells sind da spezieller und bieten entweder sehr großzügige Gesundheits- oder Ausdauerleiste sowie einzigartige Fähigkeiten, die den passenden Spielstil nochmal besser untermalen. Somit ist zwar nicht das komplette Spektrum des Souls-like Zirkus vertreten, aber die Klassiker, wie eben der typische Jack-of-all-trades Krieger, die unbewegliche Stahlschildkröte oder der flinke Dex build Charakter.

Wenn es um unsere Verteidigungsmöglichkeiten geht, haben die Entwickler von Cold Symmetry ebenfalls eine komplett eigene Idee am Start. Abseits von ausgewählten Gegnern, gibt es keine Schilder im Spiel! Jedenfalls für uns nicht. Keinen Grund zur Panik an alle die Spieler, die sich sonst am liebsten hinter Holz- oder Stahlschildern verstecken, denn auch hier hat Mortal Shell eine Alternative: unseren eigenen Körper. Dieser lässt sich nämlich auf Knopfdruck versteinern und wird somit zum undurchdringlichen und vor allem unbeweglichen Felsen. Erst wenn wir die Taste wieder loslassen oder uns ein Schlag trifft, verlassen wir diese schützende Form. Somit lassen sich gezielte Angriffe ohne Schäden überstehen und das ohne dabei unserem Feind dafür von der Pelle rücken zu müssen. Wirklich einigeln können wir uns damit jedoch nicht komplett, denn nach jedem Einsatz dieser natürlichen Panzerung, muss sie erst für einen kurzen Moment ruhen. Deswegen ist hier gerade das Haushalten unserer Ausdauer ein wichtiger Bestandteil jeder Taktik, denn ohne rettende Härtung, ist ein guter Ausweichschritt umso wichtiger.

Ein weiteres Hilfsmittel ist das sogenannte befleckte Siegel. Ein Geschenk des Gefangenen, der für jeden gebrachten Lymphknoten unser Siegel um einen neuen Trick erweitert. Dies funktioniert recht ähnlich zur Visceral Attack Mechanik in Bloodborne. Kurz bevor der Schlag des Gegners uns trifft, strecken wir ihm das Siegel entgegen und blocken nicht nur damit den Angriff, sondern machen ihn für einen kurzen Moment regungslos. Je nach Siegelinfusion können wir uns nun mit einem Hieb selber heilen oder entfesseln unsere wahre Form und starten einen Wirbelsturm an Attacken auf unser Ziel. Wer es schafft, das Siegel mit all seinen verschiedenen Möglichkeiten zu meistern, bekommt als Dank eine neue Tiefe zum Kampfsystem, welches vor allem die Dynamik um eine weitere Facette bereichert.

Um diese Techniken und Fähigkeiten überhaupt einsetzen zu können, brauchen wir Ladungen an Entschlossenheit. Diese verdienen wir uns in Kämpfen, in denen wir in kurzen Abständen eine Kette an Treffern landen. Brauchen wir dabei zu lange oder heilen uns mit Gegenständen zwischendurch, verlieren wir diese Ladung wieder. Da letzteres nicht selten passiert, gerade um uns für das nächste Gefecht vorzubereiten, sollten wir mit Entschlossenheit nicht sparsam umgehen, sondern dies je nach Situation auch zu unserem Vorteil nutzen. Hilft mal alles nichts und wir finden unsere Gesundheit am Nullpunkt wieder, ist dies aber noch nicht das Ende für uns. Mit einem Schlag werden wir aus der Hülle geworfen und landen wieder in unserer fragilen Urform. In dieser bedeutet ein einziger Treffer dann wirklich das Ende für uns. Kein doppelter Boden, kein Wiedersehen und einzig das Erreichen unserer sterblichen Hülle bringt uns wieder ins Geschäft. Das heißt aber nicht, dass das Spiel ohne die Shells unschaffbar wäre. Die Entwickler haben sogar extra für die hartgesottensten Krieger unter euch einen okkulten Schrein in den Sümpfen von Fallgrim versteckt, der es uns ermöglicht auf einen Hardmode zu wechseln. In diesem sagen wir jeder Hülle ab und bestreiten das Spiel komplett nackt, was jeden erfolgreichen Treffer zu einem sofortigen Game over für uns macht.

Zum Glück wissen wir aber nicht nur, wie wir Schaden vermeiden, sondern auch wie wir Schaden austeilen. Dazu finden wir auf unserer Reise vier einzigartige Nahkampfwaffen, die sich nicht unähnlich zu unseren Hüllen verhalten. Da hätten wir einmal ein Claymore-artiges Langschwert, welches eine gute Mischung aus Schaden, Geschwindigkeit und Reichweite bietet. Wer es da etwas schwerer und mächtiger mag, greift zum riesigen Zweihänder, mehr Einschlag gibt es beim Kampfstab und wer immer in Bewegung bleiben will, wird seine Freude mit der Hammer und Meißel-Kombination haben. Diese Instrumente des Todes lassen sich mit Materialien nach und nach verbessern und sogar zwei eigene Spezialfähigkeiten wollen von uns freigeschaltet werden. So schalten wir für unser Claymore eine versteckte Klinge frei, die wie ein Speer unseren Feind durchbohrt oder verwandeln den Zweihänder in eine magische Eisklinge. Genug Entschlossenheit vorausgesetzt.

Abseits vom Nahkampf lässt sich mit dem richtigen Werkzeug auch eine Ballistazooka reparieren und nutzen. Ja, richtig gelesen, Ballistazooka! Dieses Schmuckstück ist wortwörtlich eine Mischung aus Balliste und Panzerfaust, mit der wir die meisten Gegner aus sicherer Entfernung mit einem Schuss ausschalten können. Besonders hilfreich, wenn wir mal auf eine größere Gruppe treffen und hier schon vor dem eigentlichen Gefecht einen bedrohlichen Gegner vom Feld nehmen wollen. Weitere Möglichkeiten für den Fernkampf stellt uns das Spiel aber nicht. Zwar existieren auch Magie und Zaubersprüche in der Welt von Mortal Shell, doch dienen diese nur zum Stärken unseres Kriegers.

Eine weitere Besonderheit des Spiels ist der Umgang mit Informationen. Ihr kennt es wahrscheinlich: Man findet in Dark Souls oder einem ähnlichen Titel einen neuen Gegenstand und mit einem Blick ins Inventar weiß man sofort gut wie alles darüber. Was für eine Wirkung es hat und welche Geschichte dahinter steckt. In Mortal Shell hingegen ist jeder neue Gegenstand völlig unbekannt für uns. Wir wissen nicht, woher er kommt und was er genau macht. Um letzteres herauszufinden, müssen wir es erstmal selber benutzen, was manchmal auch schädlich für uns sein kann. So ist einer der Pilze im Sumpf giftig für uns, was wir aber auch erst nach dem ersten Verzehr erfahren. Benutzen wir ein Item oft genug, erhalten wir einen Bonus auf die jeweilige Wirkung oder können sogar einen negativen Effekt zu einem für uns positiven ändern. So kann uns der erwähnte Pilz irgendwann nicht mehr schaden und sorgt sogar dafür, dass wir für eine kurze Zeit eine Immunität gegenüber anderen Giften erhalten, was gerade bei manchen Gegnern besonders hilfreich sein kann. Selbst die Hüllen, in denen wir schlüpfen, sind für uns Anfangs komplett unbekannt. Erst wenn wir ihre Namen lernen und nach und nach mehr Fähigkeiten freischalten, offenbaren sich die Schicksale der Leidensgenossen.

Die verschiedenen Ideen und Mechaniken hinter Mortal Shell passen perfekt zur düsteren Welt, die dazu auch noch überraschend aufwendig präsentiert wird. Als technischen Motor entschied man sich für die Unreal Engine 4, die nicht nur für eine saubere Performance sorgt, sondern auch noch den Titel mit zum schönsten und atmosphärischsten Souls-like macht. Abseits der großen From Software Produktionen natürlich, aber auch hier wird die Luft deutlich dünner. Hübsche Grafik ist aber auch nichts ohne großartiges Art-Design und hier konnten die Entwickler ebenso punkten. Die trostlosen Landstriche und all ihre halbverfaulten Bewohner kommen wunderbar zur Geltung und es ist kein Wunder, dass neben Demon’s Souls vor allem der erste Quake-Ableger eine große Inspiration für die Welt war. Mortal Shell will nicht nur ein Dark Fantasy Action-RPG sein, sondern will dazu auch noch eine echte Horrorstimmung vermitteln. Ein weiteres Lob verdienen auch die Animationen, die erstens sauber programmiert wurden und zweites dem Spieler das Gefühl von Gewicht sehr gut vermitteln. Der Titel sieht also gut aus, aber was ist mit dem Klang? Die meisten Effekte klingen kräftig und die Sprecher machen ihren Job mehr als solide. Nur bei dem Soundtrack müsste ich lügen, denn mir ist da ehrlich gesagt nichts hängen geblieben, was aber nicht wirklich ins Gewicht fällt, da der Einsatz von musikalischen Untermalungen eh sehr spärlich anzutreffen war.

Fazit:
Mortal Shell macht für mich so gut wie alles richtig. Die Mechaniken sind stimmig und frisch, die Kämpfe sind Gott sei Dank nicht janky und ich liebe meine Souls-likes düster und finster. Ich bin voll des Lobes für dieses Spiel, doch gibt es auch einen Kritikpunkt, auf den ich gerne genauer eingehen möchte, denn selbst für diesen gibt es eine Erklärung. Im Vergleich zu seinen Genre-Kollegen ist Mortal Shell nämlich ein sehr kurzes und kleines Spiel. Gerade mal dreizehn Stunden habe ich für meinen ersten Durchgang gebraucht und das kommt von jemanden, der jede Ecke doppelt und dreifach absucht. Schließlich stecken diese Spiele nicht selten voller versteckter NPCs und Geheimnisse, die von uns entdeckt werden wollen. Abseits eines optionalen Schreins, der uns alle Hüllen und ihre freigeschalteten Fähigkeiten nimmt, bietet das Spiel in der Richtung aber nichts. Keine versteckten Türen, keine optionalen Gebiete und auch keine geheimen Questreihen, die zu mehren Enden führen. Dies sind alles Elemente, die ich sehr schätze und hier auch ehrlich gesagt vermisst habe. Wenn man sich aber die sonst hohe Qualität des Spiels anschaut und darüber nachdenkt, wie klein das Team hinter Cold Symmetry eigentlich ist (laut letztem Stand umfasst das Studio um die 15 Entwickler), wird einem schnell etwas bewusst: Mortal Shell ist vielleicht nicht das größte Schwert im Arsenal der Souls-likes, aber dafür eben verdammt scharf. Empfehlung für jeden Liebhaber des Genres und man darf gespannt sein, was das Studio mit einem möglichen Nachfolger alles anstellen könnte.

Mortal Shell ist seit dem 18. August für PC via Epic Games Store, Playstation 4 und Xbox One erhältlich. Getestet wurde die PC-Version.

(getestet von Para)

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