Eric Chahi hat sich mit Another World und From Dust in der Independent-Szene einen Namen gemacht. Mit seinem neuesten Projekt nehmen er und sein Studio Pixel Reef die virtuelle Realität in Angriff. Exklusiv für die PSVR entführt er uns in eine Welt, die von unterschiedlichsten Papiertieren bevölkert wird. Was uns in dieser mysteriösen Umgebung genau erwartet, erfahrt ihr in unserem Test.
Wer den Ankündigungstrailer von Paper Beast damals gesehen hat, erwartet hier eine geheimnisvolle Welt mit einer Flora und Fauna aus liebenswürdigen Papierfiguren. Und so ganz falsch würde man mit seinen Erwartungen nicht liegen, aber Paper Beast ist eine Erfahrung im immersiven VR, die in ihrer sehr kurzen Spielzeit die Routine des Bekannten ständig aufbricht.
Zu viel wollen wir hier nicht verraten, aber bereits in den ersten Spielminuten führt uns ein mit Konfetti visualisiertes japanisches Punkrock-Konzert in die Wüste einer Welt, die unseren leichtgläubigen Vorstellungen näher kommt und dennoch ganz anders ist.
Beschränken wir uns aber zunächst auf die oberflächlichen Beobachtungen. So ganz allein sind wir in dieser sandigen Einöde nicht. Es begrüßen uns direkt einheimische Kreaturen aus Papier. Zum einen ein großes Wesen, das an einen Dinosaurier oder vielleicht ein mächtiges Säugetier erinnert, zum anderen ein flinkes Insekt, das neugierig auf uns zu summt.
Im Affekt packen wir das brummende Biest am Schwanz und schleudern es an den Horizont, ehe es wieder zu uns zurück krabbelt. Die Welt von Paper Beast ist erstaunlich interaktiv und dynamisch. Die unterschiedlichen Tierchen überzeugen mit eigenen und glaubwürdigen Verhaltensmustern. Ein bedeutender Teil der Erfahrung ist es, diese Tierwelt kennenzulernen, sich vorsichtig an sie heranzutasten, sie zu verstehen und letztendlich für sich zu nutzen. Denn trotz kryptischer Erzählweise gibt es hier ein deutliches Vorankommen. Die Ziele sind nicht immer offensichtlich und müssen erst richtig interpretiert werden und dann können die Rätsel langsam aufgeschlüsselt werden.
So erreichen wir alsbald eine Höhle mit einem Wasserreservoir. Merkwürdige Sandhügel zieren die Umgebung. Zwischen ihnen entdecken wir längliche Tausendfüßler-ähnliche Papierbiester, die vorne den Sand fressen und hinten wieder ohne große Umwege ausscheiden. Wir tunken den Kopf ins Wasser und legen so einen unterirdischen Weg im nun leergepumpten See frei.
Diese Puzzles belohnen die Beobachtungsgabe und zwingen uns somit dazu, uns mit der Papierwelt und ihren Bewohnern auseinanderzusetzen. Das allein schafft eine wertvolle Erfahrung, aber Paper Beast hört hier nicht auf, sondern trumpft immer wieder mit einer lebhaften Inszenierung unerwarteter Szenen auf. Während viele Spiele mit den technischen Limitierungen der PSVR zu kämpfen haben und an ihnen oftmals scheitern, lässt uns Paper Beast eindrucksvoll Tell der Welt werden, in der es viel zum Erkunden, Erleben und Bestaunen gibt.
Technisch gibt es auch sonst nichts zu beanstanden. Die Grafik der Unity-Engine ist reduziert, was sicherlich sowohl dem Szenario als auch der Technik geschuldet ist, aber dank kleiner Details, erstklassigen Animationen und einer herausragenden Musik- und Geräuschkulisse pulsiert das Herz dieser Papierwelt auf authentische Weise. In den kleinen Arealen bewegen wir uns mittels Teleportation fort und können Objekte mit dem Controller intuitiv greifen und bewegen. Den Entwicklern gelingt es dir virtuelle Realität effektiv zu nutzen, um uns in dieses Abenteuer abtauchen zu lassen.
Der Wermutstropfen ist hier wie so oft die kurze Spieldauer. Nach spätestens vier bis sechs Stunden wird man das Ende sehen und die Spielwelt weitestgehend ausgereizt haben. Zurück bleibt trotzdem ein sehr gutes, befriedigendes Gefühl als Konsequenz dieser innovativen Reise. Und wer will, kann sich zusätzlich noch im Sandbox-Modus austoben und das originelle Ökosystem auf eigene Faust unter die Lupe nehmen.
(getestet von eape)