Zelda. Fire Emblem. Dragon Quest. Viele große japanische Franchises fanden ihren Weg in das Subgenre der Musou-Actiongames dank Koei Tecmo und dem Entwickler Omega Force. Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit bis auch die Rollenspielreihe Persona zum Hack’n’Slay gegen große Horden überführt wird. Kann die unvergleichliche Identität der Reihe trotzdem bewahrt werden? Wie harmoniert dieser ungewöhnliche Genre-Clash? Wir haben es für euch in unserem Review herausgefunden!
Hold on
Think again
Don’t you know
What you’re starting
Im selben Moment als ich Persona 5 Strikers startete, versanken auf einen Schlag all meine Erwartungen und Befürchtungen im Groove des jazzigen Openings. Meine fast 300 Stunden mit Persona 5 und der erweiterten Royal-Fassung vor nicht allzu langer Zeit führten trotz aller Qualitäten zu einer Übersättigung und das repetitive Musou-Genre für diesen ungewöhnlichen Hybriden aus Spin-Off und Sequel sollten die Skepsis nicht eindämmen können. Bis eben die Musik einsetzte, und ich in einem hochwertig produzierten Anime-Intro meine über hunderte Stunden liebgewonnene JRPG-Party wiedersah. Manchmal braucht es nicht mehr als einen Schub an Nostalgie und einen Song, der all die vergangenen Erinnerungen eingefangen hat und zum richtigen Zeitpunkt wieder freilässt.
Dieser Ritt auf der Welle der Nostalgie sollte auch noch lange nicht abbrechen. Wir beginnen das Spiel in Tokyo. Nach den turbulenten Ereignissen in Persona 5 ist alles wieder beim Alten. Wir schlüpfen ein weiteres Mal in die Rolle des jungen Joker und feiern im Café unseren Betreuers Sojiro das Wiedersehen mit der Clique aus dem Vorgänger. Die Highschool haben wir hinter uns gelassen, die Gruppe ist jetzt überwiegend im College-Alter und plant einen gemeinsamen Urlaub in den Sommerferien. Bevor wir die Koffer packen können, soll eine neue Welle an plötzlichen Persönlichkeitsveränderungen die Pläne durchkreuzen und die Phantom Thieves wieder auf die Bühne holen.
Halb Shibuya ist in das Mode-Idol Alice Hiiragi verliebt und während das noch nicht weiter auffällig ist in der japanischen Popkultur, geht die Sache doch einen Schritt zu weit als vor laufender Kamera ein Talkshow-Host neben seiner Verlobten plötzlich vor der jungen Prominenten auf die Knie geht. Lange müssen wir die Vorfälle nicht untersuchen und finden uns im materialisierten und verstörenden Unterbewusstsein des Popsternchens wieder, um ihr Herz zu stehlen und sie so wieder in richtige Bahnen zu lenken – oder so ähnlich. Kenner der Serie werden sich in diesem Konzept schnell zurechtfinden, Neulinge können sich auf ein einzigartiges Abenteuer gefasst machen, das man aber für den Kontext doch lieber mit dem Vorgänger starten sollte.
Worin sich die beiden hierbei stark unterscheiden, ist das Kampfsystem. Während wir bei Persona 5 ganz klassisch rundenbasiert kämpfen, setzt Strikers auf Massenschlachten in Echtzeit im Musou-Stil. Einzelne Gegner bekämpfen wir selten, in der Regel stehen uns zig oder hunderte Gegner entgegen. Viel aushalten tun sie aber nicht, selbst mit der Standardattacke pflügen wir uns durch die Gegnerhorden, die Persona-typisch aus den namensgebenden Monstern bestehen, die gerne an Fabelwesen und Götter unterschiedlicher Kulturen angelehnt sind. Diese finden wir nicht nur auf der feindlichen Seite, auch unsere Party setzt auf die Angriffe und Zauber gezähmter Biester. Wie im Hauptspiel nutzen wir so die Schwächen der Gegner bezüglich unterschiedlicher Elemente aus, um die kurzzeitig auszuknocken und zu teambasierten All-Out-Attacken anzusetzen. Aber auch andere Mechaniken haben die Transition zu diesem Ableger geschafft. Mit einem Baton Pass können wir beispielsweise innerhalb einer Combo zu einem anderen Partymitglied wechseln und Showtime-Angriffe verursachen verheerenden Schaden und belohnen mit einer stilsicheren Anime-Cutscene.
Selbst bei der Erkundung der Unterbewusstseinsdungeons lässt man sich eindeutig vom Vorgänger inspirieren. Die Gegner spalten sich erst in die Horden auf, sobald es zum Kampf kommt. Bevor es soweit ist, patrouillieren sie die verwinkelten Karten und laden zum behutsamen Vorgehen und Angriffen aus dem Hinterhalt ein. Im Gegenzug muss man aufpassen nicht zu oft entdeckt zu werden, da sonst der Alarmierungslevel steigt und das Voranschreiten immer hindernisreicher wird. Immer wieder wartet das Spiel auch mit kleinen Rätseln und Plattformingsegmenten in 2,5D und 3D auf, die für Abwechslung sorgen.
Diese ganzen Einflüsse aus Persona 5 bereichern das traditionelle Musou-Gameplay immens. Auch wenn hier nicht die gleiche Varietät im Gameplay geboten wird wie beim Hauptspiel, die deutlich kürzeren Dungeons sorgen hier trotzdem für ein deutlich kurzweiligeres Spielvergnügen. Sowohl die Persona- als auch die Musou-Titel können sich oftmals etwas ziehen aufgrund ihrer Spiellänge bzw. häufiger Wiederholungen. Strikers vermischt die bekannten Zutaten beider Reihen zu einer überraschend erfrischenden Melange.
Ähnlich erfolgreich wird auch inhaltlich recyclet. Bereits ganz oberflächlich erkennen wir viele Assets wieder. Damit wird das Budget reduziert und die Entwickler werden geschont, gleichzeitig werden die hohen Produktionswerte in der überaus stylischen, wunderbar verspielten Optik und erstklassigen Musik präserviert. Die eigenen Zusätze, ob jetzt neue Menüs oder gänzlich neu eingeführte Charaktere halten dieses überaus hohe Niveau. Besonders hervorzuheben ist hier der Neuzugang Sophia, eine künstliche Intelligenz, die mit ihrer positiven und trotzdem nachdenklichen Ausstrahlung an Kasumi aus Royal erinnert, aber ihre eigenen Ecken und Kanten aufweist und immer wieder für lustige Momente sorgt oder philosophisch ihre Existenz hinterfragt.
Abseits der Dungeons ist das Spiel deutlich begrenzter als die JRPG-Schwester. Es gibt keine ausufernden Life-Sim-Elemente, die Dialoge sind knapper, aber sowohl Inszenierung als auch das Writing halten durchweg mit. Statt Tokyo Kapitel für Kapitel weiter aufzudecken, ist Persona 5 Strikers ein Roadtrip durch Japan. In jedem Ort decken wir einen Fall für die Phantom Thieves auf, bestaunen die regionalen Sehenswürdigkeiten und kulinarischen Eigenheiten, und kommen dem ominösen großen Mysterium der übergreifenden Story näher. Dabei ist trotz optionaler Missionen, die von Fetchquests in der realen Welt über gesuchte Fusionen im Persona-bekannten Velvet Room bis hin zu Kopfgeldaufträgen in den außerweltlichen Dungeons reichen, die Spielerfahrung sehr kompakt und ohne Längen, mit ständigen Motivationsschüben durch Charakterentwicklung, neuen Storytwists und einer Menge Situationskomik in der Gruppendynamik unserer Helden.
Noch vermissen wir einen PS5-Patch und finden uns graphisch auf PC, PS4, PS5 und Switch noch auf der alten Generation wieder. Die Optik überzeugt zwar mit aufwendigen Charaktermodellen, spaßigen Animationen und überstilisierter Coolness bei viel Charme, der Gesamteindruck wird allerdings leider durch starkes Kantenflimmern geschmälert.
Dafür kann der abwechslungsreiche Soundtrack mit starken Acid Jazz-Einflüssen durchgehend überzeugen.
Auf der Disc finden wir sowohl englische als auf die originale japanische Vertonung und überhaupt finden wir sowohl ingame als auch in den Menüs viele Anpassungsmöglichkeiten und Komfortoptionen, die uns ein maßgeschneidertes Spielerlebnis ohne Frust bescheren.
You’ll never see it coming
You’ll see that my mind is too fast for eyes
You’re done in
By the time it’s hit you, your last surprise
(getestet von eape)