Die japanische Rollenspielserie The Legend of Heroes reicht weit in die Vergangenheit zurück. Bereits 1989 erschien der erste Ableger und seitdem erscheinen in regelmäßigen Abständen renommierte Nachfolger. Warum ihr trotzdem nichts von den Spielen gehört habt? Es dauert gut und gerne mal zehn Jahre bis die Spiele für den Westen lokalisiert werden. Der elfte Teil Trails of Cold Steel schaffte es zum Glück bereits nach zwei Jahren auf unsere etwas verstaubte PS3 und die Vita. Ob es sich lohnt die vergangene Konsolengeneration für das Spiel zu bemühen, erfahrt ihr im Test.
Als Rean Schwarzer startet man seine militärische Karriere an der Thors Military Academy. Zu unserer Überraschung landen wir aber nicht in einer der gewöhnlichen Klassen, sondern werden zusammen mit acht anderen Jugendlichen in die neu errichtete Class VII gesteckt. Die Hintergründe dieses Schulprojekts sind undurchsichtig. Die entspannte Biertrinkerin und Klassenlehrerin Sara weicht gerne aus und lässt die Schüler im Dunkeln. Bei kleinen und großen Expeditionen lernen wir die Schule und die unterschiedlichen Regionen des Landes kennen und werden dabei in persönliche und politische Konflikte verwickelt, die zu einem großen Ganzen zusammenführen sollen.
Die Geschichte klingt banal, scheint der J-RPG-Klischeekiste entnommen zu sein und der flache Aufbau der Dramaturgie tut ihr Übriges um das Interesse an der Story nach den ersten Spielminuten im Keim zu ersticken. Dabei wird das Potenzial des Spiels bereits früh deutlich. Rean und seine neuen Klassenkameraden entziehen sich schnell den genretypischen Stereotypen. Die Dialoge erinnern an Genregrößen wie Persona, zeigen eine sehr natürliche, menschliche Seite der Charaktere und behandeln Themen wie Klassenkämpfe mit einer ungewohnten Authentizität frei von großen, überzogenen Ansprachen.
Während wir unsere neu gewonnenen Freunde kennen und lieben lernen, weckt auch die Geschichte immer mehr unser Interesse. Die kleinen persönlichen Probleme der Stadtbewohner entpuppen sich als Auswüchse machtpolitischer Intrigen. Die Truppe wächst mit ihren Aufgaben und greift mit mehr Mut und Neugier in regionale Konflikte ein. Und auch ich rätsele mit der Klasse über die übergreifenden Zusammenhänge der ungewöhnlichen Ereignisse. Das Spiel schafft mit seinem langsamen, gemütlichen Aufbau den Spieler in die Welt einzuführen und lässt einen so schnell nicht mehr los.
Unter der Haube steckt ein klassisches JRPG mit seinen bekannten Routinen. In der Akademie oder einer der besuchten Städte rüstet ihr eure Party aus, unterhaltet euch mit den Bewohnern, erledigt Hol-und-Bring-Aufgaben und wenn ihr auch keine Lust mehr auf’s Angeln oder Kochen habt, marschiert ihr in die kompakten, von Monstern bedrohten Gebiete um am Ende einen Boss für die Hauptstory zu erledigen. Es folgen eine längere Cutscene und die Möglichkeit mit euren Schulkameraden und Lehrern bei sogenannten Bonding Events die Beziehung zu stärken und dann wiederholt sich der Spaß. Keine Überraschungen an dieser Stelle, aber funktionierendes, erprobtes Gameplay.
Das Kampfsystem ist streng rundenbasiert. Im Gegensatz zu anderen Titeln können wir uns aber in den 3D-Arenen frei bewegen und die Position der vier aktiven Charaktere spielt eine Rolle. So müssen die Nahkämpfer für Angriffe vor dem Gegner stehen, während Magier aufpassen sollten, dass ihre Zauber nicht von anderen Monstern blockiert werden. Das erhöht die Dynamik und die strategische Tiefe in den Kämpfen erheblich. Ansonsten wird hier gewohnte Genrekost serviert. Wir schlagen, stechen, heilen, stärken die Party, schwächen die Gegner, spielen Stein-Schere-Papier mit Elementen und Angriffsarten und lösen besonders starke, effektgeladene Superangriffe aus. Nichts Neues bis hierhin.
Besonders gefreut hat mich aber das komplexe, aber durchsichtige Character Management. Die Schüler haben nicht nur ihre Rüstung, Waffe und ihre charakterspezifischen Fähigkeiten (Crafts), sondern werden zusätzlich mit Orbments ausgestattet, die den Charakteren passive Attributverbesserungen und Magiefähigkeiten (Arts) verleihen. Dabei bestimmt der Master Quartz die grobe Ausrichtung des Charakters und mit weiteren Quartz wird dann feinjustiert. Das erlaubt eine sehr freie Gestaltung der Charaktere. Man optimiert nicht eine vorbestimmte Rolle, sondern passt sein Team nach eigenen Vorlieben und der entsprechenden Situation an. Gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden zeigt sich das komplexe, aber überschaubare und pointierte Kampfsystem von seiner besten Seite.
Technisch reißt das Spiel keine Bäume aus. Es sieht wie der HD-Port eines PS2-Spiels aus. Auf der PS3 genießt man eine etwas bessere Grafik und kürzere Ladezeiten vor den Kämpfen, an der Vita-Version gibt es aber auch nichts zu beanstanden. Da kann man mit gutem Gewissen je nach Gusto zur stationären oder Handheld-Variante greifen.
Fazit:
Ich bin positiv überrascht. Hinter der öden Aufmachung steckt ein inhaltlich wie spielerisch starkes Abenteuer. Genrefans werden hier bestens bedient und Trails of Cold Steel bietet einen ausgezeichneten Einstieg in die The Legend of Heroes-Serie. Also entstaubt eure PS3 oder greift zur Vita und gebt dem Spiel eine Chance. Vielleicht schaffen es dann die Nachfolger der angedachten Trilogie auch auf die PS4.
(getestet von eape)