The Legend of Heroes könnte die größte zusammenhängende Videospielserie sein. Und Trails of Cold Steel ist innerhalb dieser Welt die vielleicht größte Geschichte. Mit Trails of Cold Steel IV soll die Reihe nun das wohlverdiente Ende erreichen. Studio Nihon Falcom und Publisher NIS America haben das japanische Rollenspiel nun auch für den Westen aufbereitet und wir haben uns direkt ins Abenteuer gestürzt. Ob das Ende die hohen Erwartungen erfüllen kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Wir steuern auf das Finale zu. Trails of Cold Steel III endete nicht nur mit einem fiesen Cliffhanger, sondern auch mit einem heftigen Schlag in die Magengrube. Uns steht nicht nur ein politischer Umbruch bevor, überweltliche Ordnungen scheinen im Umsturz. Und zu allem Übel hängt das Schicksal unserer Helden der rühmlichen Class VII am seidenen Faden.
Trails of Cold Steel IV fängt praktisch dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat, – und doch ist die Stimmung eine ganz andere. Es gibt keine Anzeichen mehr der heldenhaften Aufopferungen, der grenzenlosen Verbundenheit, der mutmachenden Reden. Unsere heroischen Schüler sind in einer unverkennbaren Depression. Die Schlacht ist verloren und die Zukunft ungewiss. Und als wäre das bereits nicht genug, gibt es keine Spur von dem Anführer der jugendlichen Rebellen, Rean.
Diese Lethargie wird nur langsam aufgebrochen. Natürlich machen wir uns auf die Suche nach unseren verloren Kameraden, aber das Spiel gibt sich behäbig. Unsere Party kennen wir aus dem direkten Vorgänger: Juna, Kurt und Altina sind sympathisch wie eh und je. Aber dass wir auch durch bekannte Areale streifen müssen, macht den Anfang zäh. In recycelten Gebieten finden wir alte Freunde und hören ihre alten Geschichten, und warten ungeduldig auf den Paukenschlag, der das Finale auslöst. Das soll aber gute zwanzig Stunden dauern.
Während die Story etwas auf der Stelle tritt, erfreuen wir uns weiterhin am ausgezeichneten Kampfsystem. In den rundenbasierten Gefechten koordinieren wir üblicherweise vier Helden, ihre Bewegungen, Angriffe und Magie zum Sieg. Das gestaltet sich dank schier unendlicher Möglichkeiten im Charaktermanagement außerordentlich facettenreich. Jede Figur hat ihre einzigartigen Aktionen, ihre Stärken und Schwächen, aber ob wir aus zum Beispiel Juna einen Tank machen, der Angriffe auf sich zieht, dann ausweicht und kontert, oder sie zu einer mächtigen Heilerin ausbilden, bleibt ganz uns überlassen. Nachdem der dritte Teil das Kampfsystem überarbeitet hat, bleiben hier die Neuerungen aus. Das ist bei einer Reihe, die mehrere hundert Stunden Zeit frisst, schade, aber bei dem hohen Niveau lässt sich das verschmerzen.
Auch sonst darf man spielerisch keine großen Überraschungen erwarten. Die Welt bleibt semi-offen. Wir bewegen uns durch Städte und andere Hubareale, machen Haupt- und Nebenmissionen, kümmern uns in unserer Basis um Ausrüstung und Beziehungen und nach großen Bosskämpfen, genießen wir eine Reihe Zwischensequenzen. Wer die Vorgänger gespielt hat, wird sich direkt heimisch fühlen, – und wer das nicht getan hat, sollte am besten mit dem ersten Teil beginnen.
Es dauert lange, leider zu lange, aber ist das Intro erst einmal überwunden und der erste große Höhepunkt erreicht, findet das Spiel zu alter Stärke zurück. Nun stehen sich Helden und Widersacher gegenüber. Auf beiden Seiten haben wir starke Charaktere, die sich nicht nur mit Waffen, sondern auch mit stolzen Worten bekämpfen. Es wechseln sich Intrigen mit emotionalen Momenten der Freundschaft ab.
Hier entfaltet sich Trails of Cold Steel IV zum würdigen Finale. Und das nicht nur der Cold Steel-Reihe bzw. der Erebonia-Saga. Auch die Geschichten von Trails in the Sky und der bisher nur in Japan veröffentlichten Crossbell-Reihe fließen hier zu einem gewaltigen Abschluss zusammen.
Einige Twists können etwas weit hergeholt sein und verlassen sich zu stark auf den Deus ex machina, um für inkonsequente Momente der Trauer oder Freude zu sorgen. Dadurch wirken auch viele Wendungen des dritten Teils belanglos.
Es hilft auch nicht, dass man beim Figurendesign selbst bei etablierten Charakteren zunehmend auf Fan Service, sprich einen größeren Fokus auf Brüste und Hintern, setzt. Das kann für unnötige Ablenkung vom interessanten Geschehen sorgen und nötig hat es das Spiel auch nicht.
Zum Glück sind die kleinen Patzer schnell vergessen und werden von den positiven Seiten überschattet. Wenn in einer brenzligen Situation plötzlich das wohlbekannte Theme der Class VII einsetzt und unsere bekannten Helden mit spektakulären Animationen zur Stelle sind, wenn ulkige Charaktere, die wir in den letzten drei Games und 350 Stunden liebgewonnen haben, mit humoristischen Einlagen punkten, und natürlich wenn Rean und seine Freunde mit ihren Monologen unser Herz zum Beben bringen, dann glänzt Trails of Cold Steel IV mindestens so sehr wie seine Vorgänger und bietet glücklicherweise auch ein befriedigendes Ende aller Handlungs- und Charakterstränge.
Technisch haben wir immer noch ein aufgemotztes Vita- bzw. PS3-Spiel vor uns, das immerhin makellos läuft. Musikalisch erleben wir einen Mix aus neuen und alten Tracks, die immer wieder passend und wirkungsvoll eingesetzt werden. Mittlerweile hat das Spiel auch so viele Komfortoptionen, dass jeglicher Frust ausradiert wird und insbesondere weitere Durchgänge dank mehrer Skip- und Beschleunigungsfunktionen jederzeit bequem sind.