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Im Test: Wasteland 3 (PC, PS4, XBOX One)

Als Brian Fargo und Interplay Entertainment vor über dreißig Jahren das erste Wasteland veröffentlichten, hätte wohl niemand damit gerechnet, dass wir erst 2020 den dritten Teil des postapokalyptischen Rollenspiels zu Gesicht bekommen. Nach unzähligen Klonen (u.a. Fallout) und einem zweiten Ableger aus dem Jahre 2014 später, dürfen wir nun endlich Wasteland 3 aus dem Hause von Brian Fargo’s inXile Entertainment und Publisher Deep Silver begrüßen. Größer und besser als je zuvor! Wir haben uns in die verschneiten und vor allem verstrahlten Canyons und Berge von Colorado gewagt und erzählen euch nun im Test, ob sich auch für euch eine Reise lohnt.

Nach dem dramatischen Ende von Wasteland 2, in dem die Wüsten-Ranger ihre eigene Basis in Schutt und Asche legen mussten, um der Cochise K.I. endgültig den Saft abzudrehen, war es für die Gesetzeshüter von Arizona nicht einfach. Ohne die schützende Zitadelle, zogen sie von Ort zu Ort, um weiterhin für Ruhe und Ordnung sorgen zu können, doch ohne Hauptquartier wurde dies jeden Tag nur schwieriger. Als jedoch eines Tages ein gewisser Patriarch und selbsternannter Herrscher über Colorado die Hilfe der Ranger anforderte, schien die Pechsträhne endlich vorbei zu sein. Im Gegenzug zu einer Zusammenarbeit, würde er ihnen eine neue Versorgungslinie ermöglichen, mit denen sie vor allem die nötigen Ressourcen für einen Wiederaufbau bekommen würden. Der Haken daran? Die Ranger sollen vom staubigen Arizona ins kalte Colorado ziehen, um dort den Patriarchen zu unterstützen und seinen rebellierenden Kindern Einhalt zu gebieten. Die versuchen nämlich hartnäckig die Macht von ihrem Papa an sich zu reißen und drohen damit, die ganze Region im Bürgerkrieg zu ertränken. Ohne wirkliche Alternativen willigen die Ranger ein und senden sofort die ersten Freiwilligen zur Hilfe. Eine stattliche Kolonne überschreitet die Grenzen der Bundesstaaten, doch erwartet sie hier kein Empfangskomitee, sondern eine Bande aus Kannibalen und anderem Gesindel. Der Überfall ist eine Katastrophe für die Ranger. Raketen fliegen, Blei liegt in der Luft, die Besucher aus Arizona trifft es völlig unerwartet und hart. Doch neben den ganzen Verlusten, schaffen es auch zwei Ranger es aus dem Überfall heraus, die das Schicksal von Colorado für immer verändern werden. 

In Wasteland 3 übernehmen wir die Kontrolle über einen Ranger-Squad, der mit der Aufgabe unterwegs sind, die drei Sprösslinge des Patriarchen aufzuhalten – und zwar am besten lebendig. Ganz typisch für die Spiele-Reihe passiert dies natürlich in bester Rollenspiel-Manier. Wir steuern dabei eine bis zu sechsköpfige Party, führen etliche Dialoge mit NPCs, treffen Entscheidungen, nutzen Skill-Checks, handeln, looten, leveln und töten alles, was uns irgendwie im Weg steht. Kenner des Vorgängers werden sich hier direkt heimisch fühlen, denn im Kern hat sich nicht viel verändert. Die Auseinandersetzungen finden in einem rundenbasierten Modus statt, in dem wir abwechselnd Aktionspunkte ausgeben, um Züge zu planen und Fähigkeiten einzusetzen.

Bevor wir aber überhaupt irgendwas in die Hand bekommen, müssen wir erstmal zwei Charaktere erschaffen, die den Anfang unseres Abenteuers bestreiten. Hier zu können wir uns entweder eines aus fünf vorgefertigten Duos aussuchen oder uns selber eines von Grund auf neu erschaffen. Namen, Geschlecht, Aussehen, Attribute, Fähigkeiten, sogar eine Macke lässt sich hier von uns bestimmten. Macken sind dabei spezielle Perks und völlig optional, die einen Vorteil sowie einen Nachteil mit sich bringen. Jemand mit der Macke des Sadomasochisten erhält so 33% mehr Schaden, teilt aber auch 33% mehr aus, was für sogenannte „Glass Cannon builds“ (Charakter die sehr viel austeilen, aber sehr wenig einstecken – meistens Magier bzw. Fernkämpfer) sehr gelegen kommt. Das direkte Gegenbeispiel wäre da die Macke des Sandsacks, die uns +6 auf unsere Panzerungswerte gibt, dafür aber auch unsere Kampfgeschwindigkeit verringert, was uns dann mehr zu einem Panzer auf zwei Beinen macht. Abseits von diesen netten Spielereien wählen wir sonst eher Rollenspiel-typische Attribute und Skills aus. Koordination bestimmt hauptsächlich, wie viele Aktionspunkte wir pro Runde zur Verfügung haben. Wer nicht vom Pech verfolgt werden will, sollte sein Vertrauen in Glück legen. Die Umgebung und unsere Feinde behalten wir mit Achtsamkeit im Auge. Stärke beschert uns einen gesünderen Körper, einen kräftigeren Schlag und einen besseren Wurfarm. Intelligenz fördert höhere Chancen und Schaden bei kritischen Treffern. Und mit Charisma müssen wir uns keine Sorgen um eine gute Führung und als netter Bonus gibt es eine größere Ausschüttung bei Erfahrungspunkten und Missionsbelohnungen.

Genauso wichtig wie die Attribute, sind die Fertigkeiten, die in vier Kategorien aufgeteilt sind. Da hätten wir Kampffertigkeiten, die unseren Umgang mit den verschiedenen Waffenarten des Spiels bestimmen. Sturmgewehre, stumpfe und scharfe Nahkampfwaffen, Sprengstoff, Handfeuerwaffen, Scharfschützengewehre, Schrotflinten, alles was ihr euch in einem postapokalyptischen Rollenspiel eben so vorstellen könnt. Allgemeine Fertigkeiten decken dann die Fähigkeiten ab, die uns innerhalb und auch außerhalb von Gefechten weiterhelfen. Mit Punkten in Sprengstoff hinterlassen wir nicht nur einen größeren Krater, sondern können auch Sprengfallen in der Umgebung entschärfen, statt blind reinzurennen. Durch Erste Hilfe retten wir unseren Kameraden vor dem Tod, aber auch treffen wir nicht selten auf NPCs, die auf unsere medizinische Hilfe angewiesen sind und diese auch mit Gegenständen oder wertvollen Informationen belohnen. Hinterhältiger Scheiß sorgt dafür, dass wir länger im Verborgenen agieren, Alarmanlagen schneller ausschalten, versteckte Objekte entdecken und vor allem unachtsame Feinde noch mehr Schaden zu fügen können. Und wer experimentelle Waffen und Hightech-Rüstungen einsetzen will, investiert in Verrückte Wissenschaft. Als letztes steht ein echter Wasteland-Klassiker an, denn natürlich darf auch nicht Tierflüsterer fehlen. Mit diesem ganz besonderen Talent unterhalten wir uns mit der Tierwelt, können diese teilweise für uns rekrutieren, was sogar mitten in Gefechten funktionieren kann. Mit Erkundungsfertigkeiten wie Schlösserknacken und Nerdkram eröffnen wir uns neue Wege. Alte und kaputten Maschinen helfen wir mit Mechanik und Toasterreparatur (ebenfalls ein Wasteland-Klassiker) wieder auf die Sprünge. Wer auf zufällige Begegnungen mit Feinden verzichten kann, wählt Überleben aus und mit Rüstungs- und Waffenmodifizierung verleihen wir unserer Ausrüstung den nötigen Vorteil. Zu guter Letzt stehen die Sozialfertigkeiten an. Tauschhandel steigt den Verkaufswert und sinkt gleichzeitig den Einkaufspreis. Harter Hund gibt uns die Möglichkeit unser Gegenüber in Gesprächen direkt einzuschüchtern. Wer da lieber zu netten Worten greift, ist bei Arschkriecher genau richtig und jede Gruppe braucht natürlich eine gute Führung, was unserer Party allerlei verschiedene Boni gibt.

Ihr merkt es vielleicht schon, aber Wasteland 3 gibt uns eine Vielzahl an Möglichkeiten, um interessante Charaktere und damit einzigartige Partys zu gestalten. Diese Freiheit nimmt uns aber auch in die Verantwortung, unsere Ranger sorgfältig und sinnvoll auszubilden. Niemand braucht einen unbeweglichen Soldaten, der nicht viel aushält und auf Nahkampf spezialisiert ist oder einen Sanitäter, der mit einem Scharfschützengewehr mehrere Meter von der Front steht und somit erstmal zu seinen verbluteten Kameraden laufen muss. Wir müssen also unsere Mannschaft richtig und vor allem ausgeglichen zusammenbauen, wenn wir den nuklearen Winter in Colorado auch überleben wollen. Keine Alleskönner, sondern spezialisierte Experten, die uns in den richtigen Situationen mit den passenden Skills das Leben erleichtern und vor allem retten. In unserer sechsköpfigen Truppe ist dabei Platz für vier eigene Ranger, während die letzten zwei für richtige Charaktere reserviert sind, die wir während unserer Missionen treffen und rekrutieren können. Diese verfügen dann auch über eine eigene Persönlichkeit und eine Hintergrundgeschichte, während unsere Ranger eher hüllenlose Figuren sind, deren Motivationen wir uns eher selber ausdenken müssen. Haben wir unser Squad zusammen, geht es auch schon an die Arbeit. Drei Ziele, drei verschiedene Regionen, die von uns bereist und gemeistert werden wollen. Als fahrbaren Untersatz dient uns dabei der Kodiak, ein schwer modifizierter Truck, der in manchen Gefechten sogar mit seinem großen Geschütz mitmischen darf, ganz zur Freude unserer Feinde natürlich. Die Oberwelt des Spiels steckt dabei voller Geheimnisse und optionalen Storylines, die von uns entdeckt werden wollen. Allgemein ist diese im Vergleich zu Wasteland 2 deutlich ausgearbeiteter und weckt den Entdeckergeist, während wir im öden Arizona eher dazu verleitet wurden, uns so schnell wie möglich zum nächsten Ziel zu bewegen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil unserer Operation ist ebenso die neue Ranger-Basis, die wir nach dem Tutorial vom Patriarchen erhalten. Diese dient uns nicht nur als Sammelpunkt, sondern will auch von uns ausgebaut und mit hilfreichen NPCs bevölkert werden.

Eine Friedensmission ist unser Besuch in Colorado nicht unbedingt, was zu etlichen blutigen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Parteien im Spiel führt. Menschen, Tiere, Roboter, alles, was uns irgendwie im Weg steht und nicht mit Diplomatie überzeugt werden kann, muss der Gar ausgemacht werden. Dies passiert Serien-typisch in einem rundenbasierten Modus, in dem wir unsere Begleiter in Runden über die Felder schicken und dabei ihre Aktionspunkte gegen Aktionen und Fähigkeiten eintauschen. Wie gut sie dabei treffen und wie viel Schaden sie austeilen und einstecken, bestimmen ihre Attribute und die eigene Ausrüstung. Das Nutzen von erhöhten Positionen und Deckungen ist natürlich dabei genauso wichtig, wie ein reichlicher Vorrat an Munition. Denn in der Welt von Wasteland verfügen wir nicht über unendlich Munition, sondern müssen damit haushalten und auch die passende mit uns tragen. Magazine für Sturmgewehre funktionieren logischerweise nicht mit Energiewaffen, genauso wenig wie Raketen in Schrotflinten passen. Manche Munitionsarten sind dabei seltener als andere, weswegen jeder Charakter neben seiner Primärwaffe auch eine Pistole oder Nahkampfwaffe mit sich führen sollten, falls wir auf einer längeren Mission uns mal trocken schießen sollten. Die Kämpfe selber sind dabei nicht von schlechten Eltern und fordern taktisches Feingefühl. Wer gar nichts von fairen Begegnungen hält, kann dazu etliche Gefechte schon damit entscheiden, in dem er als Erstes das Feuer eröffnet. Schleichen wir uns an einer Gruppe an, können wir diese nämlich aus dem Hinterhalt mit einem spontanen Gefecht überrumpeln. Nicht besonders ehrenhaft, aber es geht hier schließlich ums Überleben.

Wenn sich das Kampfgeschehen dann mal wieder gelichtet hat, strahlt die Schönheit von Colorado durch, denn optisch hat Wasteland 3 im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger einen mehr als ordentlichen Sprung hingelegt. Zwar läuft der Titel weiterhin auf der Unity-Engine, bietet aber deutlich detailliertere Charaktermodelle, lebendigere Umgebungen und flüssigere Animationen. Zugeben, wer sich noch an den Start der damaligen Fig Crowdfunding-Kampagne erinnern kann, wird vielleicht das alte Bild- und Video-Material noch in Erinnerungen haben. Diese sahen tatsächlich nochmal ein gutes Stück besser aus, aber auch in der aktuellen Version vermittelt Wasteland 3 eine sehr stimmungsvolle Atmosphäre in einer glaubwürdigen Welt. Auf die Ohren gibt es natürlich auch was und mal wieder darf der Mix aus staubigen Country-Rock und treibenden Elektro-Beats nicht fehlen, die das Geschehen immer wieder passend untermalen.

Fazit:
Auch mit Wasteland 3 zeigt inXile Entertainment was sie wieder für ein Powerhouse sind, wenn es um Rollenspiele geht. Gut, der Humor hat bei mir nicht immer wirklich gezündet, aber das stempel ich mal einfach als klare Geschmacksfrage ab. Dafür erwartet euch ein ca. 30- bis 50-stündiges Abenteuer mit etlichen Quests, Charakteren und einzigartigen Begegnungen, die durch die verschiedenen Entscheidungen auch noch mal einen sehr starken Wiederspielwert bieten. Wer also ein Faible für westliche Rollenspiele mit Party-System und Rundenstrategie-Anteilen hat, wird dieses Jahr um Wasteland 3 nicht herum kommen können.

Wasteland 3 ist seit dem 28. August für PC, Playstation 4 und Xbox One erhältlich. Getestet wurde die PC-Version. 

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