Die schwedischen Entwickler von Villa Gorilla bewerben ihr aktuelles Projekt Yoku’s Island Express als ‚open world pinball adventure game‘. Das ist nicht nur das Debüt des jungen Studios, es ist auch das Debüt eines unwahrscheinlichen Genres. Mit Team17 als erfahrenen Publisher schafft es dieses Experiment auf alle gängigen Plattformen und ihr erfahrt in unserem Test, ob sich dieses Adventure-Game zum Highscore flippert.
Die Idee allein strahlt eine kindliche Naivität aus, die so ungewohnt zahm und farbenfroh ist, dass selbst ich als der Ernsthaftigkeit unterworfener Erwachsener es erstaunlich niedlich und einladend finde. In Yoku’s Island Express spielen wir den titelgebenden Yoku, einen gutgelaunten Mistkäfer, der auf der tropischen Insel Mokumana Island den nun pensionierten, prähistorischen Postboten Posterodactyl als Briefträger ersetzen soll. Als landgebundener Käfer scheint die Jobauswahl ungünstig, – glücklicherweise weiß sich Yoku zu helfen. Er knotet sich an seine Dungkugel und rollt sich so über die kunterbunte Insel.
Der Clou: Mokumana Island ist eine riesige, frei erkundbare zweidimensionale Flipper-Umgebung. An allen Ecken und Enden finden wir blaue und gelbe Flipperhebel, die wir mit den zugehörigen Triggern steuern, um die Kugel und mit ihr unseren je nach Geschick mehr oder weniger zielgerichtet über die Spielwelt zu katapultieren. Andere typische Elemente der grell blinkenden Spielautomaten, von schwer abschätzbaren Bumpern über Kickers, die unsere Kugel in Position befördern, bis hin zu Rollovers, die unsere Ballroute für kleine Aufgaben registrieren, transformieren dieses Metroidvania zu einer kompetenten Pinball-Maschine.
Bemerkenswert ist aber wie gut Yoku’s Island Express auch übergeordnet als Action-Adventure oder Platforming-Puzzler funktioniert. Unser Job als Postbote schließt große und kleine Kurieraufgaben ein. Während wir also Videospiel-typisch die Welt retten, helfen wir natürlich auch den charmanten Inselbewohnern in kleinen Nebenquests aus. Dabei ist jede Aufgabe eine kleine, interessante, einzigartige Herausforderung, die uns durch eine abwechslungsreiche Spielwelt lotst. Es belohnen uns etwas schräge, humorvoll-putzige Dialoge und Geschichten, die materiell gerne unsere hiesige Währung, Obst, abwerfen oder uns mit neuen Upgrades und Skins beglücken.
Die Aufgaben variieren trotz des augenscheinlich beschränktem Spielprinzips sehr. Oftmals ist Geschick gefordert, wenn die Kugel die richtigen Mechanismen auslösen oder punktgenau navigiert werden muss. An anderen Stellen werden wir vor Rätsel gestellt, die uns Kombinationsgabe abverlangen. Und ständig steht die Erkundung im Vordergrund, denn Yoku’s Island Express biedert sich trotz kindgerechter Optik keinem linear-geführten Spieldesign an. Hier muss der Spieler sich noch selbst in der Spielwelt zurechtfinden und seinen Weg zum Ziel suchen.
Mit bis zu zehn Stunden Spielzeit findet der Titel eine motivierende Länge in einer kompakten, prall gefüllten Spielerfahrung. Erreicht man nach einigen Wendungen und Höhepunkten das Ende, bietet die Insel immer noch spaßige optionale Inhalte im Postgame, die die Geschichte sinnvoll erweitern und überraschende Mysterien aufdecken. Hier lohnt es sich definitiv am Ball zu bleiben und den Content auszureizen.
Das liegt auch an der wunderschön designten Welt. Ob tropische Strände, dichte Wälder, frostige Höhen oder düstere Höhlen, jeder Winkel der Insel strotzt vor Liebe und Details und wird durch fidele Figuren und die wilde Flora und Fauna zum Leben erweckt. Dazu trällert ein paradiesischer Soundtrack mit, der uns direkt in Urlaubsstimmung versetzt. Die ganze Erfahrung ist flüssig und sauber, und beweist ein sorgsames Feintuning.
Fazit:
Kann das funktionieren? Ein Mashup aus Metroidvania und Flipperautomat ist eine der ungewöhnlichsten Kombinationen, die ich mir im Videospielbereich vorstellen konnte. Die charmant-einladende, tropische Knuddeloptik nimmt jedoch alle Berührungsängste und es dauert nicht lange, da kann ich mich von diesem Inselabenteuer nicht mehr lösen. Yoku’s Island Express verschmilzt das motivierende, offene Spieldesign klassischer 2D-Action-Adventures mit dem geschicklichkeitsorientierten Reiz des Pinballs und erreicht mit abwechslungsreichen Aufgaben, Geschichten und Umgebungen ein hohes, wenn nicht makelloses Niveau eines neu kreierten Genres. Diesen Überraschungshit sollte man sich nicht nur als Enthusiast der Spielautomaten unbedingt ansehen.
(getestet von eape)