Als in die Jahre gekommener CRPG-Hase mit Vorliebe für sperrige Rollenspiele alter Schule, der selbst auf die Frage nach seinem liebsten CRPG mit dem Namen Planescape antworten würde, waren es 4 lange Jahre vom Start des unerwarteten (und unglaublich schnell finanzierten) Kickstarterprojekts bis zum Erscheinen von Torment: Tides of Numenera. Aber hat sich die Warterei für Rollenspiele Freunde nun auch gelohnt?
Es fällt schwer diese Frage universell zu beantworten, da Torment selbst den Kern der Rollenspielegemeinde tief spalten wird. Das auf dem Szenario von Monte Cook (Sidenote: der seines Zeichen selbst an der Gestaltung des Planescape Szenarios beteiligt war) aufbauende Spiel ist kein Blockbuster im Format eines Witchers. Dafür ist die an 1999 angelehnte Aufmachung, die vermutlich bei entsprechender Optimierung nicht einmal aktuelle Tablets zu sehr stressen würde, viel zu archaisch, um Fans gepflegter Blockbuster Unterhaltung gerecht zu werden.
Selbst Spieler, die ihre rollenspielerische Erfüllung in ausgeklügeltem Gameplay mit Loot Anreizen suchen, wird ein Torment nicht überzeugen können. Ich will damit nicht behaupten, dass Torment über ein schlechtes Kampfsystem verfüge, nein absolut nicht, es ist zweckdienlich und bietet sogar einige interessante, recht neue Anreize und auch Loot gibts. Es ist nur so, dass der Fokus dieses Spiels nicht auf seinen Kämpfen liegt und es sich sogar gänzlich kampflos bestreiten lässt. Kämpfe sind eher Mangelware und liebevoll von Hand erstellte „Crisis“ – gescriptete Events, die unter einem gewissen Zeitdruck stattfinden, konventionelle Tabletop Konfrontationen simulieren sollen und dementsprechend verschiedene Lösungsansätze bereithalten, wobei einer dieser eben der Kampf selbst sein kann. Loot gibt es natürlich auch aber mit diesem wird weit nicht so inflationär umgegangen wie es, um zu einem anderen Extrem zu kommen, ein Diablo ganz selbstverständlich tut. Loot in Torment ist speziell, da er sich gerne ausgefallen gibt und sehr oft mit einer eigenen Hintergrundgeschichte daher kommt, zuweilen sogar sehr interessante Interaktionsmöglichkeiten bieten.
Es gibt also keine zeitgemäße Präsentation, kein Gameplay Eldorado und auch keine Loot-Spirale? Für wen ist Torment also dann gedacht? Für Spieler, die Wert auf Geschichten, Charaktere und allgemeine, inhaltliche Tiefe legen. Das ist Torments Fundament, sein Kern und sein stärkstes Argument. Wie aber will Torment seine Geschichte erzählen, so ganz ohne AAA-Production Value, ohne Motion Capturing und umfänglicher Synchronisation? Nun, genauso wie Planescape es Anno 1999 getan hat: Mit Text. Sehr, sehr viel Text, stimmigem Art Design und dem Ambiente angepasster Musik plus Sound Untermalung, welche die Fantasie des Spielers beflügeln sollen!
Manch einer möchte es wahrscheinlich nicht einmal als Rollenspiel betrachten, denn für Spiele wie dieses oder seinen geistigen Vorgänger Planescape, kommt die Bezeichnung eines interaktiven Buches mit Rollenspiele Elementen der Wahrheit vielleicht sogar näher. Torment ist ein gewaltig dicker und verdammt gut geschriebener Wälzer. Was einem hier geboten wird, ist kein typisches Script eines Videospiels, sondern eines bei dem man jedem Punkt und Komma anmerkt, dass es von Profis geschrieben wurde. Manch einen Namen wird der ein oder andere sogar selbst kennen. Patrick Rothfuß, um nur einen zu nennen – ja, das ist der Kerl, von dem die renommierte Reihe The Kingkiller Chronicle stammt (The Name of the Wind and The Wise Man’s Fear) und Torment ist einer der Gründe, weshalb wir nun bereits so lange auf den dritten Teil warten.
Wer sich darauf einlassen kann, der bekommt eine Rollenspielerfahrung (!) geboten, wie sie kaum ein anderes Spiel bieten kann. Eine fesselnde, abwechslungsreiche, originelle und wundersam-seltsame SciFi/Fantasy-Welt, die zum Entdecken ihrer Skurrilitäten einlädt, in der alles möglich zu sein scheint, mit mannigfaltigen Entscheidungsmöglichkeiten, die jeden Durchgang einzigartig und sehr persönlich gestalten sowie einem Script, das die Intelligenz des Spielers auch tatsächlich respektiert.
Um einen kleinen Vorgeschmack zu geben und nicht zu viel von dieser außergewöhnlichen Erfahrung zu spoilern, möchte ich nur ein paar wenige Dinge aufführen, die euch in Torment erwarten und weit nicht das Ende der Fahnenstange darstellen: Eine kristalline, von licht geflutete Welt, bei der es sich um einen Supercomputer handelte, der in einem längst vergessenen Winkel der Galaxie um einen sterbenden Stern kreiste und sich vor Einsamkeit in den Suizid stürzte; ein gewaltiges, transdimensionales, Tumor artiges Wesen, in dem eine ganze Stadt errichtet wurde und an jenes die Leute Opfer erbringen, damit es ihnen in seinen Innereien Portale in andere Welten, Universen und Realitäten öffnet (oder sie manchmal auch selbst frisst, beim Versuch diese fleischigen Portale zu durchschreiten); es ist möglich in die Gedanken anderer einzudringen und ihre Vergangenheit zu verändern, nur um dann wieder in die Realität zurückzukehren und zu bemerken, dass sich gewisse Dinge tatsächlich verändert haben,…
Fazit:
Eine seltene Rollenspiele Perle, von deren Art es sonst nur noch Planescape gibt. Kein Spiel für jeden aber wer sich darauf einlässt, dem wird mit diesem Sequel eines alten Kultklassikers eine außergewöhnliche Rollenspielerfahrung geboten – eine die das Prequel zwar nicht großartig modernisiert, aber ihm ein sehr würdiges Sequel spendiert. Chapeau inXile!
(getestet von Trayal)